Talent: „Zug mit barrierefreiem Einstieg“

Jahrelang wurde um den ÖBB-Nahverkehrszug "Talent" gestritten. Kritisiert wurde unter anderem die mangelnde Barrierefreiheit. Nun wurde ein Kompromiss gefunden und eine Vereinbarung unterzeichnet.

ÖBB-Talent-Vereinbarung wird unterzeichnet 070613
Ladstätter, Markus

Das Wesen eines Kompromisses ist, dass beide Seiten nicht alle Positionen durchsetzen können. So auch beim Nahverkehrszug Talent. Das WC konnte im Hinblick auf Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern nicht mehr verbessert werden.

Daher wurde vereinbart, von einem „Zug mit barrierefreiem Einstieg“ zu sprechen und nicht von einem „barrierfreien Fahrzeug“. Die ÖBB werden mit nicht unerheblichem Finanzaufwand rund 170 Fahrzeuge bis Juli 2008 mit Drehrampen nachrüsten.

Altlasten möglichst bereinigen

Während bei anderen Fahrzeugen, wie beispielsweise dem Doppelstocksteuerwagen, längst Einigkeit zwischen ÖBB Personenverkehr AG und der Behindertenbewegung besteht und Ausstattungsmerkmale und Umbauausmaß schriftlich vereinbart wurden, blieb der „Talent“ eine Altlast, welche die jetzige ÖBB-Führung nicht verschuldet, sondern von ihren Vorgängern „geerbt“ hatte.

Vereinbarung: ÖBB und Behindertenbewegung

In mehreren Besprechungen zwischen Juni 2006 und Juni 2007 wurde eine neue fahrzeuggebundene Drehrampe getestet und verbessert. Die 163 cm lange und 80 cm breite Rampe garantiert nun „ein Höchstmaß an Barrierefreiheit der Einstiegssituation (bei Bahnsteigen zwischen 55 cm und 38 cm Bahnsteighöhe)“ heißt es in der nun abgeschlossenen Vereinbarung, die von ÖBB Personenverkehr AG, ÖAR und BIZEPS unterschrieben wurde.

Streitbeilegung ist positiv

Es ist sehr positiv, dass der jahrelange Streit nun beigelegt werden konnte und – nach dem Doppelstocksteuerwagen und dem Multifunktionswagen – mit dem „Talent“ jetzt das dritte Fahrzeug per schriftlicher Vereinbarung ausverhandelt wurde.

Durch den Abschluss von Vereinbarungen „durch die Vertreter behinderter Menschen und den Vorstand der ÖBB Personenverkehr AG soll die entsprechende Verbindlichkeit der gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse dokumentiert werden“, heißt es in dem Schriftstück. Besonders hervorgehoben werden muss der Vorstandsdirektor DI Stefan Wehinger, dem es persönlich ein Anliegen ist, dass die Angebote der ÖBB Personenverkehr AG barrierefreier werden und der deswegen die Vereinbarung unterschreiben hat.

BIZEPS ist sicher, dass dieser einvernehmliche Weg noch viele Verbesserungen für behinderte ÖBB-Kundinnen und Kunden bringen wird. Das nächste höchstwahrscheinlich erfolgreiche Projekt wird der „railjet“ sein. Am 13. Juli 2007 unterschrieben DSA Manfred Srb und Martin Ladstätter – im Beisein von Christian Schwarzl, Ansprechpartner für Menschen mit Behinderung und Mobilitätseinschränkung bei der ÖBB-Personenverkehr AG, die Vereinbarung.

Vergangenheit: ÖBB-Talent in der Kritik

In den letzten Jahren gab es rund 60 Pressemeldungen wie diese: „Wer zahlt für den behindertenfeindlichen Talent?“ bzw. „Talent – ein würdeloses Unterfangen„.

Allen gemeinsam war, dass die ÖBB massiv für den Nahverkehrszug „Talent“ kritisiert wurden. Im Besonderen wurde die Einstiegssituation, das verplante WC und die nicht ausreichend kontrastreiche Innenraumgestaltung kritisch hervorgehoben. Doch nicht nur die ÖBB wurden von Behindertenorganisationen gescholten, auch das Verkehrsministerium musste sich die Frage gefallen lassen, wieso solche Fahrzeuge genehmigt wurden.

Verbesserungen werden in Angriff genommen

Nach dieser Kritik begann eine langwierige Phase des Schönredens und dann der kleinen Detailverbesserungen seitens der ÖBB. Die Innenraumausstattung wurde verbessert und eine mobile Rampe vorgeführt. Doch diese war zu steil und wurde von einem gerichtlich beeideten Sachverständigen als gefährlich eingestuft.

Wiederum dauerte es zwei Jahre in denen das Gesprächsklima zwischen der ÖBB-Personenverkehrs AG und der Behindertenbewegung stark litt. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die ÖBB die Bundesländer aufforderten, für das Fahrzeug mitzuzahlen. Regelmäßig – wie beispielsweise in Wien oder Oberösterreich – führte dies unweigerlich zu öffentlichen Diskussionen über die mangelnde Qualität des Fahrzeuges.

Durch die nun geschlossene Vereinbarung und die Nachrüstung mit Drehrampen ist dieses Kapitel beendet.

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