Katamaran bekommt Lift – ein Sieg mit bitterem Beigeschmack

Lange Zeit wehrte sich der Betreiber des neuerrichteten Seerestaurants in Rust, einen Lift einzubauen. Nun wird der Lift gebaut. Trotzdem zeigt der Fall klar, wie schwach die Gleichstellungsrechte sind. Ein Kommentar.

Ruster Katamaran und ORF-Diskussionrunde beim BürgerAnwalt
ORF

Welche Gründe hätten – jeder für sich alleine – bewirken müssen, dass das Seeraustaurant Katamaran von Anfang an barrierefrei ist:

  1. Das Seerestaurant – Katamaran wurde neu errichtet. Unabhängig davon, wer der Eigentümer ist, muss bei einem Neubau Barrierefreiheit umgesetzt werden. (siehe Bundes-Behindertengleichgstellungsgesetz)
  2. In diesem speziellen Fall verhält es sich so: Rund 1,6 Millionen Euro wurden in dieses Projekt investiert, sagt Bürgermeister Harald Weiss (SPÖ). Finanziert wurde das Projekt von der Seebad Rust GmbH, die sich im Eigentum der Freistadt Rust befindet. Da der Eigentümer eine Gemeindeist, ist zusätzlich die Anti-Diskriminierungsbestimmung im Artikel 7 Bundes-Verfassungsgesetz wirksam.
  3. Doch es kommen noch weitere Aspekte ins Spiel – nämlich öffentliche Förderungen. „480.000 Euro steuert das Land bei“, schreibt der ORF. Somit gilt – neben den Bestimmungen der Bauordnung des Landes natürlich auch das Burgenländisches Antidiskriminierungsgesetz. Es sollen sogar EU-Fördermittel verwendet worden sein, auch für diese ist Barrierefreiheit vorgeschrieben.

Trotzdem Barrierefreiheit verweigert

Faktum war aber trotzdem, dass das Seeraustaurant in Rust nicht barrierefrei errichtet wurde, obwohl die Pläne und der Baubescheid einen Lift vorsahen. Der Liftschaft ist zwar vorhanden, der Lift wurde aber eingespart.

„Muss schon dem Betreiber überlassen werden“

Der Lift werde nicht gebaut, hielt Seebad AG-Geschäftsführer Ewald Bulfone gegenüber dem Kurier fest. Es wird niemand ausgeschlossen, aber es muss schon dem Betreiber überlassen werden, welche Räume er welchen Gruppen zur Verfügung stellt“, betonte Bulfone.

Untätigkeit der Behörden führte zu Schlichtungsverfahren

Weil die österreichische Gleichstellungsgesetzgebung sehr schwach ist und sich öffentliche Stellen nicht darum kümmern, bleibt als letzte Chance nur, dass sich ein Betroffener stark macht und ein Schlichtungsverfahren einleitet; in diesem Fall Hans-Jürgen Gross vom ÖZIV.

„Das Schlichtungsverfahren brachte keine Einigung“, informierte der ÖZIV allerdings im Juli 2011 in einem Newsletter.

Zahlreiche Medienberichte und Einschalten der Volksanwaltschaft

Der ÖZIV-Burgenland hat zahlreiche Medienberichte initiiert und so das Thema trotz Untätigkeit der Behörden und Scheiterns des Schlichtungsverfahrens im öffentlichen Bewusstsein gehalten. Auch die Volksanwaltschaft wurde zu diesem Skandal eingeschaltet.

Die ORF-Sendung BürgerAnwalt vom 14. Jänner 2012 berichtete ausführlich über die Vorfälle und lud Bürgermeister Harald Weiss, den Ruster-Magistratsdirektor Mag. Mathias Szöke, Geschäftsführer Ewald Bulfone, sowie die Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek und Hans-Jürgen Gross vom ÖZIV ein.

Die Volksanwältin hielt fest, dass wir genug Gesetze haben. Diese aber auch umgesetzt werden müssen. Der Bürgermeister legt Wert auf die Feststellung, dass man nicht menschenfeindlich dastehen möchte und der Lift nun so schnell wie möglich gebaut wird – wahrscheinlich als Außenlift.

„Die Barrierefreiheit muss zur Gänze hergestellt werden. Das war ja auch so in der Genehmigung vorgesehen“, bestätigt nun die Abteilung 5 des Landes. Außerdem würde man nun alle aufsichtsbehördlichen Genehmigungen zum Katamaran überprüfen, berichtet der Kurier.

Fazit: Dringender Handlungsbedarf in Österreich

„Der steinige Weg hat sich gelohnt“, schreibt Hans-Jürgen Gross auf Facebook. Stimmt!

Was aber dieser Fall sehr, sehr schön zeigt, ist die Schwäche der Gleichtstellungsgesetzgebung in Österreich. Von sich aus wird die Behörde überhaupt nicht tätig, um Barrierefreiheit durchzusetzen. Gewonnen wurde der Fall auch nicht wegen des Gleichstellungsgesetzes, sondern weil der öffentliche Druck durch die Medienberichte aufrecht blieb. Wäre es nicht um so ein prominentes Gebäude gegangen, hätte sich die Geschichte höchstwahrscheinlich anders entwickelt.

Und selbst wenn nach gescheiterter Schlichtung Hans-Jürgen Gross eine Klage eingeleitet hätte, wäre er mit seinem Anliegen gescheitert. Er hätte evtl. vor Gericht Recht bekommen, allerdings schreibt das lausig schlechte Gleichstellungsgesetz in Österreich keine Barrierenbeseitigung vor und er hätte nur einen Schadenersatz erhalten.

Nehmen wir an, er hätte Glück gehabt und einen überdurchschnittlich hohen Schadenersatz erhalten. In Österreich wären dies beispielsweise 3.000 Euro gewesen. Was hätte das geändert? Lift hätte es trotzdem keinen gegeben.

Dass es auch Gleichstellungsgesetze in Europa gibt, die wirklich wirken können und auch einen abschreckenden Schadenersatz nach sich ziehen, zeigte diese Woche Frankreich.

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