Zur aktuellen Diskussion um die Befreiung von den Studiengebühren für behinderte Studierende

„Eine Befreiung von Studiengebühren ohne grundlegende Maßnahmen zur tatsächlichen Gleichstellung behinderter Menschen im gesamten Bildungsbereich bedeutet nur eine oberflächliche Kosmetik.“, hält Mag. Barbara Levc in einem Kommentar fest.

Taschenrechner, daneben Euros
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Aktuell wird seitens einiger SPÖ-Politikerinnen und in den Medien eine Befreiung von den Studiengebühren für behinderte Studierende gefordert.

Positiv an dieser Diskussion ist, dass die Tatsache ins öffentliche Bewusstsein gebracht wird, dass behinderte Menschen im Studium in vielfacher Weise beeinträchtigt sind.

Bedenklich ist jedoch, dass sich die gesamte Diskussion nur um die Studiengebührenbefreiung dreht und so der Eindruck erweckt wird, dies sei das Allheilmittel für die Probleme behinderter und gesundheitlich beeinträchtigter Menschen im Studium.

Insbesondere ist es falsch, eine Studiengebührenbefreiung mit der Gleichstellung behinderter Menschen in Verbindung zu bringen. Diese kann einzig und allein dazu dienen, die Folgen mangelnder Gleichstellung etwas zu mildern.

Gleichstellung bedeutet im Studium, die gleichen Möglichkeiten zu haben, ein Studium zu betreiben, wie nicht behinderte Studierende und um dies zu gewährleisten, müssen vor allem Rahmenbedingungen geschaffen und bestehende Barrieren beseitigt werden.

Einige Beispiele:

  • Die Bundes-Immobiliengesellschaft (BIG) versucht bei Neu- und Umbauprojekten im Universitätsbereich immer wieder Maßnahmen zur barrierefreien Gestaltung zu verhindern.
  • Die Förderungen für Gebärdensprachdolmetschung erreichen nicht annähernd das Ausmaß, das notwendig wäre, damit gehörlose Menschen ein Studium in angemessener Zeit absolvieren können.
  • Die Finanzierung technischer Hilfsmittel, wie sie vor allem blinde und sehbehinderte Studierende benötigen, wurde aus der Kompetenz des Bundessozialamtes in den Bereich der Länder verwiesen, sodass aufgrund der unterschiedlichen Landesbehindertengesetze massive Ungleichbehandlung Betroffener gegeben ist. Darüber hinaus dauern die Verfahren oft so lange, dass Studierende das erste Semester allein aufgrund der Tatsache verlieren, dass sie keine adäquaten Arbeitsmittel haben.
  • Der allergrößte Teil derjenigen Studierenden die unter gravierenden Beeinträchtigungen im Studium leiden, hat Erkrankungen, die nicht den Status einer Behinderung erhalten und profitiert deshalb weder von einer Studiengebührenbefreiung noch sonstigen finanziellen Förderungen.
  • Es herrscht ein großer Mangel an Information: Von den 21 österreichischen Universitäten haben nur 8 Beratungs- und Serviceangebote für behinderte und chronisch kranke Studierende.
  • Die Tatsache, dass der gesamte Bildungsbereich im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz ausgespart wurde, erschwert bzw. verunmöglicht es behinderten Menschen gegen Diskriminierungen beim Zugang zum Studium vorzugehen.

Die Politik macht es sich zu leicht, wenn nun einzelne Universitäten gescholten werden, weil sie (noch) keine Befreiung von den Studiengebühren für behinderte Studierende anbieten, ohne dass hinterfragt wird, welche Maßnahmen die Universitäten darüber hinaus zur Gleichstellung behinderter Studierender setzen.

Ebenso können nicht alle Maßnahmen, die für die tatsächliche Gleichstellung behinderter und gesundheitlich beeinträchtigter Studierender notwendig sind in den Bereich der universitären Autonomie abgeschoben werden, wie die Aufzählung hier verdeutlichen soll.

Eine Befreiung von Studiengebühren ohne grundlegende Maßnahmen zur tatsächlichen Gleichstellung behinderter Menschen im gesamten Bildungsbereich bedeutet nur eine oberflächliche Kosmetik.

Die tatsächliche Verbesserung der Studiensituation behinderter und chronisch kranker Menschen erfordert tiefer gehende Maßnahmen.

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