Zählt ausschließlich die Spendenwirksamkeit?

Befindet sich die Pro Infirmis Schweiz an einer Weggabelung?

Zug mit Pro Infirmis Schriftzug
Pro Infirmis

Eine Lok der Schweizerischen Bundesbahnen mit dem Logo der Behindertenorganisation „Pro Infirmis“ befährt seit 19. August 2004 das Schweizer Schienennetz und macht auf die Kampagne „Gemeinsam für behinderte Kinder“ aufmerksam.

„Die Pro Infirmis Schweiz will mit dieser Aktion ihre Integrationsbemühungen für behinderte Kinder verstärken und noch besser in den Köpfen der Schweizer Öffentlichkeit verankern“, erläutert Mark Zumbühl, Leiter der Kommunikation und Mittelbeschaffung, der weiters darauf hinweist, dass „noch allzu oft Behinderte in der Schweiz bei Bauten, im öffentlichen Verkehr, in der Schule oder bei der Suche von Arbeitsplätzen oder Lehrstellen ausgegrenzt werden“.

Die Medien nahmen von dieser Aktion regen Anteil und die Pro Infirmis konnte so für ihre Anliegen werben. Ein Umstand, der in den letzten Monaten nicht immer so war.

Noch in Erinnerung ist die wochenlange Medienberichterstattung zum Thema Sexualbegleitung behinderter Menschen. Die Pro Infirmis sorgte mit dem Projekt „Berührerinnen – Zärtlichkeit und Sexualität für Behinderte“ für Aufregung. Das Projekt fand weder inhaltlichen Zuspruch noch wurde es von den Spenderinnen und Spendern geschätzt (kobinet 18.6.04).

Anders war es bei der Kampagne „Ich lasse mich nicht behindern“, die zwar inhaltlich gewürdigt wurde, doch ebenfalls schlecht für die Spendenbereitschaft war. Der Fundraising-Spezialist und Direktor des Verbandmanagementinstituts an der Freiburger Universität stuft sie als zu aggressiv ein. „Damit lassen sich keine positiven Brücken zum potenziellen Spender schlagen“, so sein Kommentar.

„Daraus resultierte ein beträchtlicher Rückgang der Spendeneinnahmen. Diese Reaktionen haben die Verantwortlichen von Pro Infirmis in diesem Ausmaß nicht erwartet. Es zeigt sich, dass die Themenführerschaft bei einem solchen Projekt nicht bei einem spendenfinanzierten Hilfswerk liegen kann“, resümierte die Pro Infirmis.

„Waren die großen Worte am Ende auch nur Aufmerksamkeit heischender Werbegag?“, fragt Peter Wehrli vom Zentrum für Selbstbestimmtes Leben in Zürich. „Nach dem ‚Wir lassen uns nicht behindern‘ der Pro Infirmis jetzt die Rückkehr zu dem viel spendenwirksameren alten Klischee der armen, herzigen behinderten Kindelein.“, zeigt sich Wehrli verärgert.

Die Zukunft wird zeigen, ob die Pro Infirmis nach den Erfahrungen der letzten Monate zur Spendenmaximierung verstärkt auf behinderte Kinder setzt. Oder – und das bleibt zu hoffen – ob die Pro Infirmis auch in Zukunft Themen aufgreift, bei denen nicht alle mit dem Kopf nicken und viele trotzdem spenden.

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