Welchen Stellenwert haben Menschenrechte in der politischen Argumentation?

"Wir haben einfach nicht diese Tradition, dass wir Menschenrechte als die Basisgrundlage nehmen, um Rechte umzusetzen", hielt Mag. Marianne Schulze, beim BIZEPS-Kongress zum Thema Persönliche Assistenz am 22. April 2010 in Wien fest.

Mag. Marianne Schulze
BIZEPS/Eva Kosinar

In ihrem Vortrag brachte die Menschenrechtskonsulentin den Teilnehmerinnen und Teilnehmern näher, welchen Stellenwert Persönliche Assistenz in der „UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ hat.

„Welchen Stellenwert haben Menschenrechte in der politischen Argumentation?“, fragte sie und kritisierte Versäumnisse und die Geringschätzung von Menschenrechten in Österreich.

Menschenrechtliche Dimension

„Das Wann, Wo und Wie bestimme ich selbst und das ist zentral wenn man persönlich als eine menschenrechtliche Dimension versteht“, hielt Mag. Marianne Schulze im Kontext zu Persönlicher Assistenz fest und verwies auf die Missbrauchs-Diskussionen der letzten Wochen: „Selbstbestimmung ist auch ein Schutz vor Gewalt, ein Schutz vor Abhängigkeiten“

Seit 17 Jahre gefordert

Sie brachte weiters einen spannenden Querverweis im Bezug auf Persönliche Assistenz und der geforderten Umsetzung in Österreich ein.

Schon im Jahr 1993 – nämlich in den Standard Rules on Equalization of Opportunities for Persons with Disabilities – hat sich die UNO „klipp und klar dazu geäußert, was sie unter Selbstbestimmt Leben, was sie unter persönlicher Assistenz versteht“, erinnert Schulze und zitierte aus dem Dokument, das auch Österreich unterstützt: „Jeder Staat soll Persönliche Assistenzprogramme fördern und ermöglichen. Diese sollen der Selbstbestimmung dienen, diese sollen die Chancengleichheit fördern, und sie sollen Partizipation im Alltagsleben, in der Arbeit, in der Bildung und in der Freizeit gewährleisten.“

Österreich hatte also schon 17 Jahre Zeit diese Aufforderung umzusetzen.

Was muss Österreich tun?

Die auch von Österreich im Jahr 2008 unterschriebene und für die Unterzeichnerstaaten verbindliche UN-Konvention legt fest, dass Persönliche Assistenz zu „gewährleisten“ ist. „Gewährleistung bedeutet nichts anderes als Recht haben auf“, erläutert Menschenrechtsexpertin Schulze und ging damit auf eine häufig geführte Diskussion ein. Was muss ein Staat sofort machen und was erst Schritt für Schritt? Häufig wird hier von „progressiver Realisierung“ – also nur Schritt für Schritt – gesprochen. Was gilt nun für Österreich?

„Und das ist mir, weil ich als Menschenrechtskonsulentin hauptsächlich in Entwicklungsländern arbeite, und mir dieses Thema sehr am Herzen liegt, auch wichtig, da ein bisschen die Grenze zu ziehen zwischen dem, was ein Industrieland leisten kann und dem, was ein Entwicklungsland leisten kann“, verweist sie auf ein öfter gehörtes Missverständnis und geht konkret auf Österreich ein:

Progressive Realisierung - gilt für Entwicklungsländer
SprecherIn: Mag. Marianne Schulze
Audioquelle: BIZEPS

Da ist auch die Querverbindung – auch von Dr. Rubisch angesprochen – angemessene Vorkehrungen, die ich doch etwas vehementer einfordern würde, und sagen möchte, da steht in der Konvention klipp und klar drinnen, dass die Versagung einer angemessenen Vorkehrung eine Diskriminierung ist. Da steht auch in der Konvention, dass angemessene Vorkehrungen zu gewährleisten sind.
Ich tu’s nur ungern, aber ich werde dem Herrn Dr. Rubisch ein wenig widersprechen, was seine Interpretation von Artikel 4, Absatz 2 betrifft, und das ist die progressive Realisierung.

Dr. Rubisch hat gemeint – und das verstehe ich aus Regierungsseite – dass progressive Realisierung bedeutet, eine Leistung die vom Staat hauptsächlich zu finanzieren ist, muss nur sukzessive erbracht werden und muss nur nach der Maßgabe erbracht werden, in der sich der Staat das leisten kann. Das ist eine Interpretation die für Entwicklungsländer gilt.

Die Vereinten Nationen sagen klipp und klar und deutlich, dass Staaten, die so reich sind wie Österreich, bei progressiver Realisierung zum Maximum gefordert sind. Und dass, wenn es nicht zu einer Priorisierung kommt, das im Prinzip einer Menschenrechtsverletzung gleichkommt. Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören. (lacht)

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