Wehrli: Kampagne verkommt zum enorm teuren Werbefiasko

Die Aufregung um eine steuerfinanzierte Provokations-Kampagne in der Schweiz weicht nun der Ernüchterung. ZSL fordert Abbruch der Kampagne.

Plakat: Behinderte liegen uns nur auf der Tasche
Bundesamt für Sozialversicherungen

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSW) – zuständig auch für die „Invalidenversicherung (IV)“ – hatte Anfang November mit einer Kampagne schweizweit für pures Entsetzen gesorgt.

Es wurden Sprüche wie „Behinderte liegen uns nur auf der Tasche“ plakatiert und am Höhepunkt der öffentlichen Erregung dann mit Zusatztexten wie „Behinderte liegen uns nur auf der Tasche, wenn wir ihre Fähigkeiten nicht nützen“ ergänzt.

Die Diskussion verlief emotional. Die Mehrheit lehnte diese Kampagne rundweg ab, einige wenige fanden diesen Schritt mutig und notwendig. Doch auch diese Gruppe wird immer kleiner, weil die Kampagne scheinbar völlig zu versanden droht.

Nun hat Peter Wehrli, Geschäftsführer ZSL in Zürich, am 12. November 2009 eine Stellungnahme veröffentlicht. Anfangs durchaus mit der Kampagne nicht unglücklich, sieht er jetzt nur mehr ein teures Werbefiasko, welches schnell beendet werden müsste.

Stellungnahme zur IV-Plakataktion

  1. Das ZSL war zu keiner Zeit beteiligt an der Vorbereitung der IV-Plakataktion.
  2. In der Hoffnung auf eine breit angelegte, geschickt geführte und dringend nötige gesellschaftlichen Debatte über gängige Vorurteile, welche die Integration von Menschen mit Behinderungen behindern und auf eine entsprechend provokative „Auflösung“ der Teaser-Phase, hat das ZSL der IV zum Mut gratuliert, diesen „Stier bei den Hörnern gepackt“ zu haben.
  3. Eine Kampagne, die zum Schein auf Kosten einer diskriminierten Minderheit provoziert, muss diese Provokation mit noch viel schärferen Provokationen in der Umkehrung der „Teaser-Aussagen“ richtig stellen. Wir sind bitter enttäuscht von der Banalität und Ahnungslosigkeit der Auflösung. Einige der Sätze sind mit Auflösung genauso falsch und im Grunde genommen behindertenfeindlich wie ohne Auflösung. Insgesamt wird unterschwellig und widerspruchslos die Ungeheurerlichkeit transportiert, dass nur arbeitende Menschen einen Wert haben.
  4. Wir sind für Provokation, so lange die darauf folgende Debatte den durch die Provokation angerichteten Schaden mehr als wettmacht. Eine solche Kampagne könnte die Aufregung nutzen, müsste aber, um überhaupt legitimierbar zu sein, professionell geführt werden und durch eine minutiös geplante öffentliche Diskussionen zur vertieften Meinungsbildung führen. Gleichzeitig wären harte Fakten zu publizieren, die die Vorurteile in ihrer Falschheit blossstellen. Heute wird offensichtlich, dass das BSV offenbar diesen wichtigsten Teil der Kampagne überhaupt nicht vorgesehen, geschweige denn organisiert hat. Es erweist sich als unfähig, diesen einmaligen Vorsprung in der Themenführerschaft in irgendeiner Weise für die Ziele der IV oder der Betroffenen zu nutzen. Die Kampagne verkommt damit zum enorm teuren Werbefiasko auf Kosten der Behinderten.
  5. Gemeinsam mit anderen Organisationen des Behindertenwesens fordern wir, dass die weiteren Teile dieser Kampagne (mit TV-Werbung in ähnlichem Stil) nicht gestartet, bzw. sofort abgebrochen werden.
  6. Wir empfehlen dem BSV dringend, sich Rat bei qualifizierten Behinderten zu holen, und bei PR-Fachleuten, die nicht nur einen prestigeträchtigen und entsprechend teuren Namen, sondern auch das nötige Fachwissen und die Kapazität mitbringen, eine grosse öffentliche Debatte zielgerichtet zu führen.
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