Vienna is different

Dieses und ähnliche Plakate kann man schon bei der Einfahrt nach Wien entdecken.

Ortschild mit Aufdruck Wien
BilderBox.com

Wien ist anders – das ist bekannt. Doch warum wirbt Wien für Vienna? „Vienna is different“ stimmt, denn Vienna – ein Vorort von Washington/USA ist wirklich anders als Wien. Doch alles der Reihe nach. Was hat das mit der U-Bahn zu tun?

Für die Wiener U-Bahn wird ein neuer Wagentyp entwickelt. 1999 soll der Prototyp erstellt sein, ab dem Jahr 2000 kann die Serienproduktion beginnen.

Laut Rathauskorrespondenz ist es erforderlich, neue Überlegungen zu den im Einsatz befindlichen „Silberpfeilen“ anzustellen, um dem „Wunsch nach einer besseren Zugangsmöglichkeit für Menschen im Rollstuhl“ nachzukommen. Im Arbeitsübereinkommen der neuen Wiener Landesregierung steht überdies “ Öffentliche Verkehrsmittel … sind für Behinderte zugänglich zu machen.“

„Gemeinsam mit Betroffenen“

Man könnte annehmen, daß dies und die Aussagen von der Abgeordneten für Behindertenfragen der Wiener SPÖ, Prof. Erika Stubenvoll zu gravierenden Mängeln beim U-Bahnbau eindeutig sind. Sie meinte vor einigen Monaten: „Wenn wir jetzt planen würden, würde man das sicher gemeinsam mit Betroffenen machen.“

„optimale Zugänglichkeit“

Und weiters „bei den neuen U-Bahn-Garnituren soll die optimale Zugänglichkeit gegeben sein, ebenso die zügige Verfolgung des Lifteinbaus bei den U-Bahnen“.

Doch dies ist weit entfernt von der Realität. Derzeit werden die neuen U-Bahnen ausgeschrieben und entwickelt und Betroffene haben sich Gedanken gemacht, wie diese Garnituren behindertengerecht werden können.

Vorschläge liegen am Tisch

Unsere Arbeitsgruppe Mobilität hat die Forderungen behinderter Menschen zusammengestellt. Diese umfassen etwa Summer für blinde Menschen, als auch ein orangesfarbenes Warnlichtsignal für gehörlose Menschen. Weiters die Aufnahme von informativen Ansagetexten wie auch die Gestaltung eines barrierefreien Einstieges bei den Türen. Auch Details – wie Probleme mit der Haltestange im Einstiegsbereich, oder das Anbringen von Übersichtsplänen – wurden behandelt. All diese Erkenntnisse wurden den Wiener Linien und der zuständigen Stadträtin Mag. Brigitte Ederer (SPÖ) übermittelt.

Kein Interesse

Doch unser Gesprächsangebot wurde ignoriert und die Arbeitsgruppe erhielt bloß ein Antwortschreiben vom Direktor der Wiener Verkehrsbetriebe, Dipl.-Ing. Günther Grois.

In diesem Schreiben erklärt er aus seiner Sichtweise, warum all die Vorschläge nicht sinnvoll bzw. undurchführbar sind. Teilweise versteigt er sich sogar in Vermutungen. Z. B. forderten gehörlose Mitglieder der Arbeitsgruppe, daß neue U-Bahngarnituren mit einem orangesfarbenem Warnlichtsignal auf das bevorstehende Schließen der Türen aufmerksam machen. Gehörlose Menschen haben immer Angst, von den Türen eingeklemmt zu werden.

„Es scheint nicht sinnvoll, in dieser kurzen Zeit ein Warnlicht blinken zu lassen“, fährt Direktor Grois über die Forderungen der Betroffenen hinweg, „da die Bewegung der Türflügel genau so gut wahrgenommen werden kann.“

Doch dies ist nur ein Beispiel. Ebenso verfährt Direktor Grois mit anderen Forderungen, wie z. B. den Summerton, der geöffnete Türen signalisieren soll. Auch dies hält er – im Gegensatz zu den Betroffenen – für undurchführbar und lehnt es vehement ab.

ExpertInnen in eigener Sache

„So kann man heute nicht mehr mit behinderten Menschen umgehen“, meint ein Mitglied der Arbeitsgruppe. „Immerhin wissen wohl die Betroffen am besten, was sie brauchen“.

Stadträtin Ederer

Die zuständige Stadträtin Ederer hat bisher überhaupt nicht reagiert, sondern ließ von ihrem Büro bloß ausrichten, daß an der Sache gearbeitet wird. Immer mehr verstärkt sich der Eindruck, daß Ederer ihre behindertenfeindliche Politik fortsetzt:

Bereits als damalige Geschäftsführerin der SPÖ hat sie es nicht für nötig befunden, die SPÖ-Zentrale baulich zugänglich zu machen – obwohl sie es angekündigt hat. Als zuständige Stadträtin läßt sie die Verkehrsbetriebe wieder einmal ein nichtbehindertengerechtes Verkehrsmittel entwickeln.

Und – wenn die Stadt bei den Verkehrsbetrieben sparen muß, was will sie einsparen? Richtig: Die geplante Nachrüstung der Aufzüge könnte man aufschieben – fällt Ederer ein.

An uns liegt es nicht

Wir haben immer Gesprächsbereitschaft gezeigt – und es wurden auch vertretbare Lösungen gefunden. Die Niederflurstraßenbahn oder die tastbaren Bodenleitstreifen in U-Bahnstationen sei als Beispiel erwähnt, aber auch die laufenden Verhandlungen über die Niederflurbusse. Seit 14. August 1997 ist folgende Verfassungsbestimmung in Kraft: „Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.“

In der Begutachtung erkannte Wien damals, daß „dem Staat (und hier vor allem den Gemeinden, z. B. in baulichen Angelegenheiten, vgl. U-Bahnbau, Straßenbau) zusätzliche und kostenintensive Handlungsverpflichtungen auferlegt werden, …“ – was nun zutrifft.

Wiederholt die Stadt wieder den Fehler vergangener Jahre, wo man sich vehement gegen Aufzüge in U-Bahnstationen gewehrt hat und diese nun mit einem vielfachen Millionenaufwand nachrüsten muß?

Affront gegen Behinderte

Wir werden uns sicherlich nicht durch nichtzugängliche Verkehrsmittel ausschließen und diskriminieren lassen und dagegen vehement protestieren. Wer behindertenfeindlich baut und plant, wird dies auch zu verantworten haben.

Aus all diesen Gründen sind wir der Meinung, daß es stimmt, daß Wien anders ist – anders als etwa Vienna in den USA.

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