Pflegegeld: Rechnungshof kritisiert zersplitterten Vollzug

Mit zwei Prüfberichten des Rechnungshofs aus dem Kompetenzbereich von Sozialminister Rudolf Hundstorfer startete der Rechnungshofausschuss des Nationalrats heute seine Beratungen.

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Zum einen ging es um die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, zum anderen um die Zuerkennung von Pflegegeld. … In Bezug auf das Pflegegeld kritisiert der Rechnungshof die strukturelle Zersplitterung hinsichtlich der Rechtsgrundlagen, der vollziehenden Stellen, der ärztlichen Gutachten sowie der administrativen Umsetzung und empfiehlt deshalb eine Novellierung der Pflegegeldgesetze.

RH-Bericht kritisiert die Praxis des Vollzugs des Pflegegeldes

Der Rechnungshofs überprüfte den Vollzug des Pflegegeldes (III-114 d.B.) bei insgesamt 21 Rechtsträgern für das Jahr 2007. Der Pflegegeldaufwand für rund 412.000 PflegegeldbezieherInnen in diesem Jahr betrug zirka 2 Mrd. Euro.

In ihrer Wortmeldung thematisierte Abgeordnete Christine Lapp (SPÖ) die Treffsicherheit des Pflegegeldes und die laufende Diskussion um die direkte Auszahlung des Pflegegeldes versus Sachleistungen. Sie meinte, Wahlfreiheit für die Anspruchsberechtigten sei nur durch eine Direktauszahlung gegeben.

Abgeordneter Norbert Hofer (FPÖ) sprach sich ebenfalls im Sinne der Selbstverantwortung für die direkte Auszahlung des Pflegegeldes aus. Allerdings müsse das soziale Umfeld der zu Pflegenden mehr berücksichtigt werden. Hofer wollte vom Minister wissen, an welche Maßnahmen zur Strukturreform gedacht sei und wie man in Zukunft den steigenden Bedarf an Pflegekräften sicherstellen wolle, insbesondere bei der 24-Stunden-Pflege. Er erkundigte sich außerdem, ob tatsächlich an eine Abschaffung der beiden niedrigsten Pflegestufen gedacht sei, wie Medienberichten zu entnehmen war.

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ) sprach ebenfalls das Thema Sach- versus Geldleistungen beim Pflegegeld an. Er stellte die Frage, wie in Zukunft die Kosten der Pflege abgedeckt und die Qualität der Begutachtung von Pflegegeldanträgen gesichert werden könne, wenn in Zukunft diese auch von Pflegekräften vorgenommen werde. Er bezog sich dabei auf einen Pilotversuch in dieser Richtung.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) kritisierte das, wie er es nannte, jahrelange „Herumdoktern“ am Pflegegeld, obwohl die Lösungen auf der Hand lägen. Bereits jetzt entscheide eine einzige Stelle 80 % aller Anträge, es sei nicht einzusehen, warum sie nicht auch die restlichen 20 % übernehmen könnte. Es gebe außerdem Berufsgruppen, die bisher nicht über die staatliche Krankenversicherung ihren Beitrag zum Pflegegeld geleistet haben, aber trotzdem davon profitieren. Der Abgeordnete ortete auch ein soziales Ungleichgewicht bei den BezieherInnen von Pflegegeld: BezieherInnen niedriger Pensionen würden auch überdurchschnittlich oft nur ein niedriges Pflegegeld beziehen. Er vermutete, dass es schichtspezifische Hürden für die Durchsetzung des Anspruchs gebe.

Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ) erkundigte sich ebenfalls nach den kolportierten Plänen, den Zugang zu Pflegestufe 1 und 2 zu verschärfen, und wollte wissen, ob bereits Resultate der Gespräche mit den Landeshauptleuten über eine Vereinheitlichung der Einstufungskriterien für den Pflegegeldanspruch vorliegen.

Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Hermann Gahr (ÖVP) fragte nach den Kosten einer geplanten Valorisierung des Pflegegeldes und nach der Form der Finanzierung eines geplanten Pflegefonds. Er interessierte sich ebenfalls dafür, welche Pläne es für die Pflegestufe 1 und 2 gibt.

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP) thematisierte auch die Dotierung eines zukünftigen Pflegefonds, in dem alle Berufsgruppen einzahlen würden. Eine Vermögenssteuer sei in diesem Zusammenhang aber sicher nicht zielführend, stellte er in Richtung des G-Mandatars Öllinger fest.

In seiner Antwort auf die Fragen der Abgeordneten wies Sozialminister Rudolf Hundstorfer darauf hin, dass der gesamte finanzielle Aufwand für Pflege in Österreich 7 Mrd. Euro betrage. 3 Mrd. Euro davon entfallen auf die mobile und stationäre Betreuung. Hier gehe man von einer zu erwartenden jährlichen Kostensteigerung von rund 3 % aus. Die Einrichtung eines Pflegefonds, in den alle Berufsgruppen einzahlen, werde vor diesem Hintergrund diskutiert.

Der entstehende Mehraufwand für die Länder müsse bis zum nächsten Finanzausgleich überbrückt werden. Auch die angesprochene Frage der Sachleistungen betreffe diesen zu erwartenden Mehraufwand der Länder. Man werde nichts am System der Direktauszahlungen an die Anspruchsberechtigten ändern, bekräftigte der Sozialminister. Zur Diskussion stehe eine Übernahme des Pflegegeldsystems der Länder durch den Bund. Er betonte, dass das System von sieben Pflegestufen bestehen bleibe, man überlege aber für künftige Anträge die Einführung neuer Kriterien.

Das Problem im Pflegebereich sei nicht so sehr die 24-Stundenbetreuung, sondern der zu erwartende Bedarf von zusätzlich 12.000 Arbeitskräften im Pflegebereich über die nächsten zehn Jahre, betonte Hundstorfer. Die Schaffung eines Lehrberufs Pflegekraft sei aber dazu, wie Erfahrungen der Schweiz zeigten, kaum geeignet. Jugendliche seien meist den damit verbundenen Anforderungen nicht gewachsen. Man müsse sich daher eher darauf konzentrieren, über Dreißigjährige zu finden, die bereit sind, sich umschulen zu lassen. Auf eine diesbezügliche Zusatzfrage von Abgeordnetem Alois Gradauer (FPÖ) betonte Hundstorfer, er nehme die Anliegen der Menschen mit Pflegebedarf sehr ernst. Die Verwaltungsreform sei in diesem Bereich im Gang, wenn man auch nicht immer rasch zu den gewünschten Ergebnissen komme.

RH-Präsident Josef Moser listete eine Reihe von Kritikpunkten auf, die sich für den Rechungshof aus der Überprüfung des Vollzugs der Pflegegeldes ergeben haben. Moser merkte an, der Bezug des Pflegegeldes stelle derzeit nicht sicher, dass die notwendigen Pflegeleistungen tatsächlich erbracht werden, dass sie leistbar und auch qualitativ hochwertig sind. Verbessert habe sich die Verfahrensdauer.

Grundsätzliche Probleme sieht der Rechnungshof im Vollzug des Pflegegeldes aufgrund der strukturellen Zersplitterung der Rechtsgrundlagen, der vollziehenden Stellen, der ärztlichen Gutachten sowie der administrativen Umsetzung des Pflegegeldes.

Aus diesem Befund leitete RH-Präsident Moser eine Reihe von Empfehlungen ab. Er sprach sich für eine Novellierung der Pflegegeldgesetze aus. In Anbetracht der sich abzeichnenden demographischen Entwicklung seien weitere Maßnahmen zur Vereinfachung der Struktur der Entscheidungsträger und strategische Entscheidungen im Bereich der Pflegeinfrastruktur notwendig, um eine umfassende Pflegevorsorge und deren nachhaltige Finanzierbarkeit sicherzustellen, stellte er fest.

Der Bericht des Rechnungshofs zum Vollzug des Pflegegeldes wurde vom Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen.

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