ORF-Gesetz: Einigung noch nicht absehbar

Hearing im Verfassungsausschuss des Nationalrats

Parlament Österreich
BIZEPS

Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat die Beratungen über das neue ORF-Gesetz aufgenommen. In Form eines öffentlichen Hearings diskutierten Abgeordnete und ExpertInnen über ein von der Regierung vorgelegtes Gesetzespaket, mit dem nicht nur der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF präzisiert und dessen EU-konforme Finanzierung sichergestellt, sondern auch eine unabhängige Medienbehörde eingerichtet werden soll. Eine Entscheidung über die Gesetzesvorlage wurde noch nicht getroffen, die Verhandlungen sollen am 4. Mai fortgesetzt werden.

Hauptdiskussionspunkt in der heutigen Sitzung waren die Befugnisse der unabhängigen Medienbehörde KommAustria im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion über den ORF. Sowohl die SPÖ als auch die Opposition sehen durch einzelne im Gesetzentwurf enthaltene Bestimmungen die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit des ORF und dessen Funktionsfähigkeit gefährdet. Man solle die Kompetenz der KommAustria auf die Rechtsaufsicht über den ORF beschränken, forderte etwa SPÖ-Klubobmann Josef Cap, und ihr keine Fachaufsicht übertragen. BZÖ-Abgeordneter Stefan Petzner äußerte die Befürchtung, dass die Regierung über den Umweg der Medienbehörde den – durch das letzte ORF-Gesetz zurückgedrängten – parteipolitischen Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder erhöhen wolle.

Die Bedenken der SPÖ und der Opposition wurden auch vom Verfassungsexperten Michael Holoubek, ORF-Generalintendant Peter Wrabetz und ORF-Stiftungsrätin Huberta Gheneff geteilt. Im Verhältnis von Stiftungsrat und Medienbehörde seien noch viele Fragen offen, meinte etwa Gheneff und stellte die Frage, was passiere, wenn die KommAustria Entscheidungen des Stiftungsrats „overruled“. Von Abgeordneten und Experten in diesem Zusammenhang als besonders umstritten gewertet wurde § 31 Abs. 15 des ORF-Gesetzes.

Verteidigt wurden die im ORF-Gesetz verankerten Aufsichtsrechte der KommAustria hingegen von ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf und Verfassungsexpertin Claudia Fuchs. Kopf wertete es als legitim, den ORF angesichts der in Aussicht genommenen temporären Gebührenabgeltung zu einem massiven Sparprogramm zu zwingen und die Plausibilität des Sparprogramms vorab durch die KommAustria prüfen zu lassen, auch wenn man damit, wie er sagte, an die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen gehe.

Die Verfassungskonformität der Bestimmungen bestätigte auch Expertin Fuchs, die darauf hinwies, dass es nicht um eine umfassende inhaltliche ex-ante-Prüfung des Sparprogramms des ORF durch die KommAustria gehe, sondern um eine Glaubhaftmachung. Verhandlungsbereit zeigte sich Kopf hinsichtlich der Frage, inwieweit dem ORF tatsächlich die gesamte vorgesehene Abgeltung der Gebührenbefreiung gestrichen werden solle, wenn dieser die Sparvorgaben nicht vollständig erfülle.

Für die Umwandlung der KommAustria in eine unabhängige Medienbehörde braucht die Koalition eine Zweidrittelmehrheit und damit die Unterstützung zumindest einer Oppositionspartei. Neben der Einrichtung einer unabhängigen Medienbehörde und einer Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF geht es beim zur Diskussion stehenden Gesetzespaket unter anderem auch um qualitätssichernde Maßnahmen beim ORF, die Einführung eines Vorprüfungsverfahrens für neue ORF-Angebote, die teilweise Abgeltung von Gebührenbefreiungen durch den Bund bei Einhaltung eines strikten Sparprogramms im ORF, die Einbeziehung von Web-TV und Video-Abrufdiensten in das Privatfernsehgesetz, die stärkere Förderung von privaten Rundfunkveranstaltern und eine Adaptierung der Bestimmungen über Product Placement.

Ostermayer: Frage der Kompetenz der Medienbehörde ist noch offen

Eingeleitet wurde das öffentliche Expertenhearing mit einer Stellungnahme von Staatssekretär Josef Ostermayer. Er erläuterte die wichtigsten Punkte des Gesetzespakets aus seiner Sicht und wies darauf hin, dass diesem lange und intensive Diskussionen vorangegangen seien.

Ihm zufolge geht es insbesondere um eine Festigung des dualen Rundfunksystems durch einen weiteren Ausbau der Medienförderung für private Rundfunkveranstalter und eine teilweise Refundierung der Gebühren an den ORF, die Umsetzung der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste und die Umsetzung des mit der EU-Kommission erzielten Kompromisses in Folge des eingeleiteten Beihilfenverfahrens betreffend den ORF. Im Wesentlichen müsse der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF klar von seinen kommerziellen Aktivitäten getrennt, eine unabhängige Medienbehörde eingerichtet und der öffentlich-rechtliche Mehrwert neuer ORF-Angebote durch einen „Public-Value-Test“ geprüft werden.

Die Gebührenrefundierung an den ORF ist, wie Ostermayer erklärte, an die Fortführung des Film-Fernseh-Abkommens, das Weiterbestehen des Rundfunk-Symphonieorchesters und die Ausweitung von Sendungsuntertitelungen geknüpft. Noch offen ist für den Staatssekretär die Frage der Kompetenz der Medienbehörde und in diesem Zusammenhang insbesondere die Praktikabilität der im § 31 ORF-Gesetz verankerten Bestimmungen.

Wrabetz: Gesetz ist wichtiger Schritt zur Absicherung des ORF

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz wertete das ORF-Gesetz als wichtigen Schritt zu einer langfristigen Absicherung des ORF unter EU-konformen Bedingungen. Er begrüßte unter anderem, dass durch das Gesetz die duale Finanzierung des ORF durch Werbe- und Gebühreneinnahmen bestehen bleibe und zwei Vollprogramme im TV-Bereich sowie das Online-Angebot des ORF erhalten würden. Ebenso ist ihm zufolge der Spartensender Sport plus EU-konform abgesichert, dazu komme die Möglichkeit, TW1 in einen Informations- und Kulturspartenkanal umzubauen.

Wrabetz betonte, der ORF könne sich das alles nur leisten, wenn er „extreme Sparbemühungen“ unternehme. Er wies in diesem Zusammenhang auf die bereits erfolgte Personalreduktion und die umfangreichen Vorgaben des Stiftungsrats hin. Durch die teilweise Gebührenrefundierung ist es dem ORF ihm zufolge unter anderem möglich, die Filmförderung zu erhöhen, die Gesamtinvestitionen auf Rekordniveau zu erhalten und den barrierefreien Zugang zum Programm auszuweiten.

Was den umstrittenen § 31 ORF-Gesetz betrifft, mahnte Wrabetz ein, diesen so zu formulieren, dass die materielle und gestalterische Unabhängigkeit des ORF erhalten bleibe. Er habe nichts gegen eine Rechtsaufsicht und Kontrolle durch die KommAustria, bekräftigte er, es dürfe aber zu keiner Duplizität bei den Kompetenzen der Organe kommen und der Behörde keine Eingriffsmöglichkeiten in die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit des ORF eingeräumt werden. Nach dem vorliegenden Entwurf würde die Planung des Geschäftsjahres zudem erheblich erschwert und der ORF erst im März oder April des laufenden Geschäftsjahres wissen, wieviel Geld ihm tatsächlich zur Verfügung stehe, betonte Wrabetz. Für ihn gibt es zudem keinen Anlass, dem Unternehmen und dem Stiftungsrat zu unterstellen, Sparmaßnahmen nur „augenzwinkernd“ zu beschließen.

Holoubek: KommAustria soll keine Fachaufsicht über ORF erhalten

Verfassungs- und Wirtschaftswissenschafter Michael Holoubek äußerte breites Lob für den vorliegenden Gesetzentwurf und meinte unter anderem, die Umsetzung der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste sei vorbildlich erfolgt. Genauer ging er auf den neuen „Public-Value-Test“ ein, der ihm zufolge einem wettbewerbsrechtlichen Konzept folgt.

In diesem Sinn gehe es nicht um die Beurteilung einzelner Sendungen des ORF, sondern um die Prüfung der Frage, inwieweit neue Geschäftsfelder und Sparten des ORF bestehende Wettbewerbsverhältnisse beeinträchtigen und inwieweit sie einen öffentlich-rechtlichen Mehrwert haben. Die Kontrolle des bestehenden Programms sieht Holoubek durch das vorgeschriebene Qualitätssicherungssystem gewährleistet und damit auch entsprechenden EU-Vorgaben genüge getan.

Was die KommAustria betrifft, plädierte Holoubek dafür, ihre Aufsichtspflicht über den ORF auf die Rechtsaufsicht zu beschränken und § 31 ORF-Gesetz umzuformulieren. Es sei eine sinnvolle Vorgangsweise, die Gebührenabgeltung an den ORF an gewisse Auflagen und Sparvorgaben zu binden, meinte er, eine Fachaufsicht der KommAustria in Form einer ex-ante-Prüfung der Sparziele des ORF passe aber nicht in das System. Dass der ORF seine selbstgesteckten Sparziele ernst nehme, ist für Holoubek ohnehin durch die nachträgliche Kontrolle der KommAustria gesichert.

Fuchs: Gesetzesvorschlag ist verfassungsrechtlich unbedenklich

Verfassungsexpertin Claudia Fuchs hob hervor, dass das vorliegende Gesetzespaket über weite Strecken auf europarechtlichen Vorgaben fuße. Der Spielraum Österreichs durch EU-Vorgaben sei eng abgesteckt, meinte sie und verwies in diesem Zusammenhang auf die vorgesehene „Public-Value-Prüfung“ und die Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF für Online- und Spartenprogramme.

Die Konstruktion der unabhängigen Medienbehörde und der Bestellmodus der Mitglieder entsprechen nach Meinung von Fuchs sowohl europarechtlichen Standards als auch verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie wertete es als positiv, dass die Rechtsaufsicht über den ORF und die Regulierung im Privatfernsehbereich künftig von der gleichen Behörde wahrgenommen werden.

Im Gegensatz zu Holoubek hat Fuchs auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, was die Vorab-Prüfung der Sparziele des ORF durch die KommAustria betrifft. Das Konzept sei nicht so angelegt, dass es um eine umfassende inhaltliche Bewertung der Sparziele gehe, sondern um eine Glaubhaftmachung, argumentierte sie. Ihrer Meinung nach kann ein Selbstverpflichtungssystem nur dann wirksam sein, wenn die gesteckten Ziele von einer externen Stelle auf ihre grundsätzliche Eignung geprüft werden.

Gewährleistet durch das Gesetz ist laut Fuchs auch die EU-Vorgabe, dass Gebühreneinnahmen ausschließlich zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Programms verwendet werden dürfen. Kritsch merkte sie an, dass es entgegen den Empfehlungen des Rechnungshofs zu keiner Änderung bei den Gremien des ORF komme.

Leyroutz: Unabhängigkeit der Medienbehörde ist nicht sichergestellt

Rechtsanwalt Christian Leyroutz vertrat die Auffassung, dass der vorliegende Regierungsentwurf die Unabhängigkeit der Medienbehörde nicht zur Gänze sicherstelle. Insbesondere kritisierte er zu großen politischen Einfluss beim Auswahlverfahren für die Mitglieder. In Bezug auf die Erfüllung der Kernaufgaben des ORF regte Leyroutz eine Ausweitung der Zuständigkeit der Regulierungsbehörde und stichprobenartige Kontrollen an.

Karmesin: Qualitätssicherungssystem ist völlig unzureichend

Medienökonom Matthias Karmasin bemängelte, dass das Gesetzespaket die Konvergenz im Medienbereich nicht adäquat widerspiegle und forderte in diesem Zusammenhang parallel zur Novellierung des ORF-Gesetzes eine Änderung der Presse- und Publizistikförderung. Für ihn ist außerdem nicht nachvollziehbar, warum die Mitglieder der KommAustria Juristen sein müssten und medienwissenschaftlicher oder medienökonomischer Sachverstand keine Rolle spiele.

Als völlig unzureichend beurteilte Karmasin auch das vorgeschriebene Qualitätssicherungssystem für den ORF. Der ORF müsse dezidiert verpflichtet werden, einen Verhaltenskodex und dazugehörige Verfahrensregeln zu erstellen, forderte er. In Bezug auf Exklusiv-Senderechte trat Karmasin für eine Differenzierung zwischen Unterhaltung und Information ein.

Rechtsanwältin und ORF-Stiftungsrätin Huberta Gheneff setzte sich insbesondere kritisch mit dem Verhältnis zwischen Stiftungsrat und Medienbehörde auseinander. Für sie sind in diesem Bereich noch viele Fragen offen. Was passiere, wenn Entscheidungen des ORF-Stiftungsrats von der KommAustria „overruled“ werden, fragte sie. Schließlich hätten Stiftungsräte nicht nur Rechte, sondern auch umfangreiche Pflichten. Ihrer Auffassung nach erhält die KommAustria einen zu großen Ermessensspielraum.

Die Meinung der Fraktionssprecher

Von Seiten der Abgeordneten lobte SPÖ-Klubobmann Josef Cap die legistische Leistung bei der Ausarbeitung des Gesetzespakets und sprach von einem „wirklich tollen Ergebnis“.

Allerdings bezweifelte er die Praktikabilität und Verfassungskonformität des § 31 Abs. 15 ORF-Gesetz und warnte vor einer Einschränkung der verfassungsrechtlichen Unabhängigkeit des ORF. Die KommAustria dürfe, so Cap, nicht Aufgaben übernehmen, die grundsätzlich der Geschäftsführung und dem Stiftungsrat vorbehalten seien. Cap fragte sich, was die Konsequenzen seien, wenn es zu einer echten Konfliktsituation zwischen dem Stiftungsrat und der Prüfungskommission der KommAustria komme.

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf zeigte für die von Cap geäußerten Bedenken hingegen kein Verständnis. Die ÖVP bekenne sich vollinhaltlich zu einem dualen Rundfunksystem und halte es für legitim, dem ORF, der viele Rechte habe, auch Pflichten und Beschränkungen aufzuerlegen, bekräftigte er.

Kopf klagte, der ORF scheine seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag vielfach als Last statt als Chance zu begreifen, obwohl dieser die einzige Überlebenschance für den Sender sei. Er hätte in diesem Sinn auch das bestehende Programm gerne in den „Public-Value-Test“ einbezogen. Ausdrücklich sprach sich Kopf auch für Werbebeschränkungen im Programm und beim Online-Angebot des ORF aus, schließlich sei die duale Finanzierung durch Werbung und Gebühren keine Selbstverständlichkeit.

Was die Sparvorgaben an den ORF betrifft, meinte Kopf, das Unternehmen habe zehn Jahre zu spät begonnen, sich auf die duale Rundfunklandschaft einzustellen. Gleichzeitig verteidigte er die Vorabkontrolle des ORF-Sparkonzepts durch die KommAustria.

Es sei in diesem speziellen Fall legitim, an die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen zu gehen, sagte er, gehe es doch um die temporäre Auszahlung von Geldmitteln, die notwendig seien, um dem ORF „über die Runden zu helfen“, auch wenn sich in ihm innerlich alles dagegen sträube. Diskutieren kann man Kopf zufolge darüber, ob die Gebührenrefundierung tatsächlich zur Gänze gestrichen werden solle, wenn der ORF nicht das gesamte Sparziel, sondern etwa nur 80 %, erreiche.

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) schloss sich dem gegenüber den von verschiedenen Seiten geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken an und meinte, bei den Bestimmungen über das Aufsichtsrecht der KommAustria müsse „legistisch nachgeschärft“ werden. Das Verschieben von Kompetenzen vom Stiftungsrat zur Regulierungsbehörde sei ihm nicht sympathisch und zudem verfassungsrechtlich problematisch, erklärte er.

Grundsätzlich begrüßt die FPÖ, Fichtenbauer zufolge, die Einrichtung einer unabhängigen Medienbehörde. Er plädierte aber dafür, dass die Mitglieder der Behörde vom Hauptausschuss des Nationalrats und nicht von der Bundesregierung vorgeschlagen werden. Außerdem trat er für eine Aufstockung der Mitgliederzahl von 5 auf 9 Personen ein und monierte Änderungen bei den Unvereinbarkeitsbestimmungen und den fachlichen Voraussetzungen. In Bezug auf das ORF-Gesetz wertete Fichtenbauer die Werbebeschränkung im Online-Bereich auf 2 % als zu knapp.

Abgeordneter Dieter Brosz (G) kritisierte Tendenzen, den parteipolitischen Einfluss auf den ORF auszuweiten. Die Regierung habe ein Medienbild, das in den 60-er Jahren stecken geblieben sei, beklagte er. Wenn es um Medienvielfalt gehe, müsse man zudem auch den Printbereich mitberücksichtigen, wo es durch selektive Inseratenaufträge auch zu einer Steuerung der Berichterstattung komme.

Was die Einrichtung der unabhängigen Medienbehörde anbelangt, schloss sich Brosz teilweise den Ausführungen Fichtenbauers an. Weiters trat er dafür ein, die Bestimmungen über den Ausbau barrierefreier Sendungen im ORF zu präzisieren, die Wahl des Publikumsrats zu modernisieren und die Werbebeschränkung im Online-Bereich zu überdenken. So wie das Gesetzespaket jetzt vorliege, sei es für die Grünen nicht beschlussfähig, sagte Brosz, seine Fraktion sei aber zu konstruktiven Verhandlungen bereit.

Abgeordneter Stefan Petzner (B) bemängelte, der vorliegende Gesetzentwurf gehe, was die Beschränkung des politischen Einflusses auf den ORF betrifft, hinter das geltende Gesetz zurück.

Er warf der Regierung vor, über die Medienbehörde wieder mehr Einfluss auf den ORF erlangen und gleichzeitig die Kompetenzen des Stiftungsrats einschränken zu wollen. Die vorgesehenen Bestimmungen könnten nicht so stehen bleiben, bekräftigte er und zeigte insbesondere kein Verständnis für die „Verquickung“ zwischen Gebührenrefundierung auf der einen und Programm- und Sparvorgaben auf der anderen Seite.

Die weitere Diskussion

In einer weiteren Runde stand neben den bisher aufgeworfenen Fragestellungen vor allem auch die Barrierefreiheit des bestehenden ORF-Angebots zur Diskussion.

Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg (ÖVP) wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Homepage des ORF keineswegs barrierefrei gestaltet sei. Außerdem wären nur für einen Bruchteil der ausgestrahlten Sendungen Untertitel verfügbar. Huainigg zufolge könnten derzeit nämlich nur 31 % von ORF1 und ORF2 mit Untertiteln gesehen werden. Er wollte daher wissen, welches zeitliche Ziel Wrabetz zur Umsetzung der Barrierefreiheit ins Auge fasse.

Auch F-Abgeordneter Norbert Hofer hielt fest, dass es in punkto Barrierefreiheit noch viel zu tun gebe. Er forderte daher die Festschreibung klarer Etappenziele. Da nicht nur Behinderte, sondern auch häufig SeniorInnen von wahrnehmungsbezogenen Einschränkungen betroffen seien, müsse sich der ORF im Sinne einer echten Gleichberechtigung verstärkt für die Umsetzung eines barrierefreien Angebots einsetzen.

Abgeordnete Helene Jarmer (G) beurteilte die Fortschritte auf dem Gebiet der Barrierefreiheit positiv, hob aber hervor, dass es weiterer Bemühungen bedürfe. Die diesbezüglichen Bestimmungen der vorliegenden Novelle müssten umformuliert werden, so Jarmer, da man u.a. keinen sukzessiven Anstieg des barrierefreien Angebots festgeschrieben habe. Auch sei es nicht gerecht, dass behinderte Menschen die vollen Gebühren bezahlen müssten aber nur einen Bruchteil des ORF-Angebots nutzen könnten.

Österreich setze auf diesem Gebiet die UN-Behindertenrechtskonvention nur unzureichend um, so das Fazit der Abgeordneten. Dass die Novelle keine Festschreibung der Aufnahme von Behindertensport in den Sportspartenkanal des ORF umfasst, sei bedauerlich.

Staatssekretär Josef Ostermayer bekräftigte das Ziel, Angebote barrierefrei zu gestalten und hielt fest, dass diesbezügliche Maßnahmen bereits eingeleitet wurden. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz kündigte an, 1,2 Mio. Euro für diesen Bereich zur Verfügung zu stellen.

Abgeordneter Wilhelm Molterer (V) nutzte seine Wortmeldung dazu, das Ziel der langfristigen Sicherung des dualen Systems zu bekräftigen. Dazu sei es nötig, den europäischen Vorgaben zu entsprechen, indem man sie auf gesetzlicher und praktischer Ebene umsetze. Dass sich der ORF Selbstverpflichtungen auferlege, sei gut, doch mache dies Instrumente zur Kontrolle ihrer tatsächlichen Erfüllung erforderlich. Bedauern äußerte Molterer darüber, dass private Anbieter von Rundfunkdiensten im Zuge der heutigen Diskussion nicht gehört wurden.

Auch SPÖ-Klubobmann Josef Cap bekannte sich zum dualen System als Konsens, von dem er „keinen Millimeter abrücken wolle“. Mit Blick auf die Gesetzesnovelle meinte er, dass es Aufgabe des Parlaments sein müsse, festzustellen, ob Präzisierungen erforderlich seien. In diesem Zusammenhang lud Cap vor allem zu erneuten Diskussionen über die Ausgestaltung der geplanten Medienbehörde ein. Sein Fraktionskollege Ausschussobmann Peter Wittmann äußerte sich ebenfalls kritisch zum bereits viel diskutierten § 31.

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf äußerte Bedenken in Bezug auf die Vergabe weiterer Steuermittel an den ORF. Das Unternehmen fordere von der Politik Gelder, wofür diese wiederum Voraussetzungen festlege. Es reiche aber nicht aus, dass der ORF die Einhaltung dieser Vorgaben selbst kontrolliere. Ohne andere begleitende Kontrollmechanismen seien die 160 Mio. Euro nicht aus der Hand zu geben, meinte Kopf. Er schlug außerdem vor, über die Zusammenführung von Stiftungs- und Publikumsrat in einen Rundfunkrat nachzudenken, der einen kleineren Aufsichtsrat bestellen solle.

Abgeordneter Dieter Brosz (G) wollte die prekäre finanzielle Situation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich nicht dem ORF allein angelastet wissen. Im Zuge der Gebührenbefreiung sozial Schwächerer habe man dem Unternehmen nämlich eine Gebührenabgeltung zugesagt, die nicht erfolgt sei. Die Politik habe damit die finanzielle Situation des ORF mit zu verantworten. Brosz forderte außerdem, das Problem der Positionierung des ORF anzugehen. Man müsse dabei erkennen, dass nicht eingekaufte Serien und Filme, sondern einheimische Formate zu den beliebtesten Sendungen zählten.

Auch B-Abgeordneter Stefan Petzner forderte dazu auf, über den Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu diskutieren und diesen genauer zu definieren. Die vorliegende Novelle bringe auf diesem Gebiet nichts Neues, sondern schreibe lediglich den Status-quo fort.

In seinem Fazit ging Staatssekretär Josef Ostermayer auf den Entstehungsprozess der vorliegenden Novelle ein. Stetiger Kontakt und Rücksprachen mit der Kommission ließen auf die Akzeptanz dieser Lösung auf europäischer Ebene schließen. Bis zum 4. Mai gelte es aber nochmals intensiv über die Bestimmungen des § 31 zu diskutieren.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz forderte auf, einen präzisen Trennstrich zwischen den Aufgaben des Stiftungsrats und der Medienbehörde zu ziehen. Dies sei aber mit geringen Modifikationen möglich, meinte Wrabetz.

Michael Holoubek hielt die Umsetzung der Bestimmungen für möglich und wies darauf hin, dass auch die Mitteilungen der Kommission eine Haltbarkeit des Gesetzes erwarten ließen. Dieser Auffassung widersprach Christian Leyroutz, dessen Angaben zufolge nicht alle Vorgaben der Europäischen Kommission im Gesetzesentwurf umgesetzt wurden.

Verfassungsrechtlerin Claudia Fuchs meinte, damit das Selbstverpflichtungsmodell funktionieren könne, bedürfe es vor allem einer Evaluierung der Zielerreichung unter Berücksichtigung des Weges dorthin.

Matthias Karmasin wies erneut auf die Bedeutung eines Verhaltenskodex im Rahmen des Qualitätssicherunssystems hin. Zudem verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck, dass diese Diskussion der Beginn einer umfassenden medienpolitischen Debatte sein möge.

Huberta Gheneff warnte davor, die Novelle in ihrer jetzigen Form zu beschließen. Die Bandbreite der Auslegung des Gesetzes durch die anwesenden ExpertInnen habe gezeigt, dass es noch nicht beschlussreif sei.

Der von Ausschussobmann Peter Wittmann gestellte Antrag auf Vertagung der Beratungen wurde einstimmig angenommen.

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