Niederlande: Gesetz tritt im Sommer in Kraft

Aktive Sterbehilfe in den Niederlanden beschlossen.

Flagge Niederlande
Bandera de los Países Bajos von Elentir / CC BY-SA 2.0

Der niederländische Senat hat am 10. Apirl ein Gesetz zur Zulassung der Sterbehilfe angenommen, berichtet ORF-ON. Das Gesetz hat damit die letzte parlamentarische Hürde genommen. Die Niederlande sind damit das erste Land weltweit, das die Sterbehilfe gesetzlich geregelt hat. Das Gesetz soll im Sommer in Kraft treten .

Für das Gesetz stimmten 46 der aus 75 Senatsmitgliedern bestehenden Kammer, 28 entschieden sich dagegen. Ein Vertreter war abwesend.

Damit unterstützten wie erwartet die Repräsentanten der sozialliberalen Regierungskoalition das Gesetz. Die christlichen Parteien blieben bei ihrer Ablehnung. Die Abgeordneten der Zweiten Kammer hatten das Gesetz schon im November mit 104 gegen 40 Stimmen gebilligt.

Während der Debatte hatten vor dem Parlament mehrere tausend Gegner demonstriert. Mit Spruchbändern und Gesängen protestierten vorwiegend christliche Organisationen dagegen, dass mit dem Gesetz „das Töten von Menschen legalisiert“ werde. Umfragen zufolge sind jedoch 90 Prozent der Niederländer für das Gesetz.

Bisher ohne Verfolgung geduldet
Mit dem neuen Gesetz wird die aktive Sterbehilfe in den Niederlanden entkriminalisiert. Bisher war sie gesetzlich verboten, konnte aber dennoch ohne Strafverfolgung praktiziert werden, wenn bestimmte Richtlinien der Staatsanwaltschaft eingehalten wurden.

Bedingt straffrei durch neues Gesetz
Jetzt wird dem Arzt Straffreiheit zugesichert, wenn die vom Gesetz vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind:

  • Der Patient muss unerträglich leiden, darf keine Aussicht auf Heilung haben und er muss den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe mehrfach freiwillig und eindeutig äußern.
  • Der Arzt muss den Patienten ausführlich informieren und die Meinung eines Kollegen einholen.
  • Die Sterbehilfe ist so zu leisten, dass sie unter medizinischen Gesichtspunkten verantwortbar ist.

Keine Selbstbestimmung bei Jugendlichen
Das neue niederländische Euthanasiegesetz gilt auch für Jugendliche ab 12 Jahren. Bis zu einem Alter von 16 Jahren Jahren ist aber die Zustimmung der Eltern erforderlich. Ursprünglich wollte die Regierung auch Kinder von 12 bis 15 Jahren selbst entscheiden lassen, nach starken Protesten ist man davon aber abgekommen.

Dreiköpfige Prüfungskommission
Nach erfolgter Sterbehilfe sind die Ärzte verpflichtet, den Fall einer dreiköpfigen Prüfungskommission zu melden, die die Einhaltung aller Vorschriften überprüft. Die Kommission besteht aus einem Juristen, einem Arzt und einem Experten für ethische Fragen.

Staatsanwalt nicht mehr involviert
Eine Überprüfung von Fällen aktiver Sterbehilfe war auch in der seit Anfang der neunziger Jahre praktizierten Duldungs-Politik vorgesehen, bisher war jedoch in jedem Fall die Staatsanwaltschaft involviert, in Zukunft wird sie nur mehr eingeschaltet, wenn es zu Verstößen gegen das Gesetz kommt.

Hauptsächlich Krebspatienten betroffen
Rund 2.000 Fälle von aktiver Sterbehilfe wurden bisher pro Jahr gemeldet, Schätzungen gehen von tatsächlich doppelt so vielen, also 4.000 Fällen aus. Nach Angaben des niederländischen Gesundheitsministeriums wird aktive Sterbehilfe in neun von zehn Fällen von Krebspatienten in Anspruch genommen.

Folgende Aufstellung brachte ORF-ON:

Österreich: Koalition lehnt Sterbehilfe ab
In Österreich ist eine Sterbehilfe-Regelung nach dem Modell der Niederlande „kein Thema“. Diese Haltung von Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck (FPÖ), die dieser schon im Herbst bei der Sterbehilfe-Debatte in den Niederlanden geäußert hatte, habe sich nicht geändert, hieß es am Dienstag im Staatssekretariat auf Anfrage der APA.

Im Regierungsprogramm der ÖVP-FPÖ-Koalition heißt es dazu: „Jeder Schritt in Richtung Sterbehilfe wird entschieden abgelehnt. Vielmehr soll ein Plan für den Ausbau des Hospizwesens und der Palliativmedizin (Schmerzmedizin) entwickelt werden.“ In Österreich ist aktive Sterbehilfe sowohl strafrechtlich als auch berufsrechtlich nach dem Ärztegesetz verboten. Der Arzt ist aber nicht verpflichtet, aussichtslose Heilmethoden anzuwenden. Alles Tun oder Unterlassen, das kausal den Tod herbeiführen würde, ist verboten. Dies falle etwa unter das Delikt „Tötung auf Verlangen“. Im § 77 StGB heißt es: „Wer einen anderen auf dessen ernstliches und eindringliches Verlangen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“

Verbot in Deutschland
Ähnlich die Gesetzeslage in Deutschland, die aktive Sterbehilfe verbietet. Der Paragraf 216 bedroht „Tötung auf Verlangen“ mit bis zu fünf Jahren Haft. Nur wer bei Patienten „in unmittelbarer Todesnähe“ lebensverlängernde Maßnahmen unterlässt, also etwa die Beatmungsmaschine abstellt, kann im Fall der so genannten indirekten Sterbehilfe straffrei bleiben.

Gift auf Rezept in der Schweiz
In der Schweiz besorgt eine Hilfsorganisation „Exit“ Todeswilligen und unheilbar Kranken ein ärztliches Attest für Gift, das diese dann selbst einnehmen.

Skandinavische Modelle
In Dänemark können todkranke Patienten selbst über das Ende ihrer Behandlung entscheiden. Seit dem 1. Oktober 1992 können Dänen für den Fall einer unheilbaren Krankheit oder eines schweren Unfalls ein „medizinisches Testament“ verfassen, dass von den Ärzten respektiert werden muss. In Schweden ist „Hilfe beim Selbstmord“ kein strafbares Vergehen. In Extremfällen dürfen Ärzte die Atemgeräte abschalten.

Illegal in Frankreich und Grossbritannien
In Frankreich ist Sterbehilfe illegal. Das Strafgesetzbuch unterscheidet jedoch zwischen aktiver Sterbehilfe und „fehlender Behandlung“, die mit unterlassener Hilfeleistung für Menschen in Gefahr verglichen werden kann. Auch in Großbritannien ist die Sterbehilfe gegen das Gesetz. 1993 und 1994 ermächtigte die Justiz jedoch Mediziner, das Leiden von Patienten zu beenden, die künstlich am Leben gehalten wurden. In Schottland erhielt eine Patientin im Juni 1996 zum ersten Mal die „Erlaubnis zum Sterben“.

Unterschiedliche Regelung in US-Bundesstaaten
In den USA verbietet das Bundesgesetz eine aktive Sterbehilfe. Einzig der Bundesstaat Oregon lässt seit 1994 Sterbehilfe zu, wenn die Kranken keine Aussicht auf Heilung haben und die Sterbehilfe formell beantragen. Da sich jedoch ein Gericht des Bundesstaats gegen die Anwendung der Sterbehilfe aussprach, wurde sie bisher nie praktiziert. Im April 1996 erklärte das Bundesberufungsgericht von New York, das auch für Vermont und Connecticut zuständig ist, die ärztliche Sterbehilfe für zulässig.

Legal in Kolumbien und China
In Lateinamerika ließ das kolumbianische Verfassungsgericht im Mai 1997 die aktive Sterbehilfe zu. Sterbenskranke müssen sie jedoch ausdrücklich beantragen. Die chinesische Regierung genehmigte Krankenhäusern 1998, aktive Sterbehilfe zu praktizieren, wenn ein Patient an einer unheilbaren Krankheit leidet.

In den meisten anderen Ländern der Welt wird Sterbehilfe mit Mord gleichgesetzt oder gar nicht zum Thema gemacht.

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