Modellprojekt „Unterstützung zur Selbstbestimmung (Clearing Plus)“ soll im März 2014 starten

Am 22. Jänner 2014 fand im Justizministerium in Wien eine Arbeitsgruppe zum Thema "Unterstützte Entscheidungsfindung" statt. Rund 70 Personen folgten der Einladung und erfuhren mehr über den IST-Stand und die Pläne des Ministeriums.

Justizministerium 20140122 Sachwalterschaft
BIZEPS

Seit dem Vorjahr laufen im Justizministerium bekanntlich Vorarbeiten zur Evaluierung und Weiterentwicklung des Sachwalterrechts.

Das gesamte Vorhaben läuft unter dem Titel Modellprojekt „Unterstützte Entscheidungsfindung“ und soll massive Menschenrechtsprobleme – wie sie auch bei der UN-Staatenprüfung Österreichs auf Einhaltung der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im September 2013 aufgezeigt wurden – beheben und Lösungen erarbeiten.

Voraberhebung: Was gibt es schon? Was fehlt?

Bevor das Justizministerium sich über eine Reform des Sachwalterrechts traut, versuchte man anscheinend, die Stärken und Schwäche des derzeitigen System genau zu erheben.

Gegen Jahresende 2013 haben die Sachwaltervereine im Auftrag des Justizministeriums versucht herauszufinden, welche Möglichkeiten der Unterstützung für Personen mit Sachwalterschaft es derzeit schon gibt. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Sachwaltervereine haben in der Sitzung der Arbeitsgruppe vom 22. Jänner 2014 erzählt, was sie herausgefunden haben. (Fotos von der Arbeitsgruppensitzung)

Gemeinsam war diesen Bundesländerberichten, dass überall die eine oder andere – mehr oder weniger erfolgreiche – kleine Initiative vorhanden ist. Doch grundsätzlich ist dies alles Stückwerk und man war sich größtenteils einig, dass der Bedarf nach einer konzeptionellen Lösung groß ist.

Hemma Mayerhofer gab in ihrem Statement ergänzend auch einen Einblick über Modelle der Unterstützen Entscheidungsfindung in Kanada und Schweden; (BIZEPS berichtete darüber schon vor einigen Wochen). Sie wird auch die Begleitforschung des Modellprojektes durchführen.

Ministerium informiert über Inhalte des 2jährigen Modellprojekts

Im Anschluss der Sitzung bat BIZEPS Dr. Peter Barth vom Justizministerium, kurz den Inhalt des geplanten Modellprojektes zu erläutern. Hier die per Mail übersandten Details:

Vorerst wird die Lebenssituation des/der Betroffenen von der Clearingstelle im Rahmen des schon bisher regulären Clearing geprüft. Wäre (nach jetzigem Stand des Sachwalterrechts) das Sachwalterverfahren weiterzuführen, ist zu prüfen, ob die Bereitschaft der betroffenen Person für die ‚Unterstützung zur Selbstbestimmung (Clearing Plus)‘ vorliegt.

Liegt eine solche vor, sollen von der Clearingstelle die Ressourcen, Interessen und Bedürfnisse herausgefunden werden. Ein wesentlicher Fokus liegt auf dem Empowerment bzw. der Selbstbefähigung der Person. In Vereinbarung mit dem Klienten/der Klientin werden das private Umfeld und UnterstützerInnen aus dem Gemeinwesen eingebunden. Im Rahmen der Durchführung geht es konkret um die Ressourcenaktivierung der betroffenen Person und um die Vermittlung von professionellen Hilfen. Es sollen Informationen vermittelt und die Zugänglichkeit bestimmter Leistungen ermöglicht werden.

In der ersten Phase des Projektes hatten die Sachwaltervereine (die das Clearing durchführen) die Aufgabe, herauszufinden, welche Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten es vor Ort gibt. Beispiele solcher Alternativen wurden in der Arbeitsgruppensitzung vergangen Mittwoch vorgestellt. In einem nächsten Schritt sollen nun die Clearingstellen an etwa 20 Modellstandorten auf ganz Österreich verteilt mit der ‚Unterstützung zur Selbstbestimmung (Clearing Plus)’ beginnen. Das Modellprojekt soll auch begleitend evaluiert werden.

Das Modellprojekt soll zwei Jahre dauern und aller Voraussicht nach im März 2014 mit der aktiven Phase starten.

Impressionen der Arbeitsgruppensitzung

Das Justizministerium bemüht sich erfolgreich, die Sitzungen barrierefrei zu gestalten. Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten nehmen daran teil und bereichern die Diskussion ungemein.

Eine Selbstvertreterin forderte österreichweit Peer-Beratungsstellen sowie deren Finanzierung. Eine andere warf ein, dass öfters geprüft werden soll, ob wirklich noch eine Sachwalterschaft benötigt wird. Häufig führen fehlende Strukturen (beispielsweise keine SozialarbeiterInnen) zu unnötigen Sachwalterschaften, erfährt man.

Auch folgende gute Frage einer Selbstvertreterin konnte man hören: „Was ist mit Menschen, die nicht wissen, was Selbstbestimmung ist?“

„Sachwalterschaft – wie sie jetzt gelebt wird – ist nicht menschenrechtskonform“, meinte eine Teilnehmerin. VertreterInnen der Länder Steiermark, Oberösterreich und NÖ sprechen sich für Unterstützte Entscheidungsfindung aus. Wien lehnt sie eher ab, informiert das Sozialministerium. NÖ betont besonders die Wichtigkeit der Rechtssicherheit.

Dr. Peter Barth vom Justizministerium kündigt abschließen an, dass Maßnahmen gesetzt werden sollen, damit es weniger Sachwalterschaften gibt. Zusätzlich gab er bekannt, dass das Justizministerium bis Juni sich einige Punkte zu Persönlichkeitsrechten im Sachwalterrecht genauer ansehen werde und diesbezügliche Entwürfe vorlegen wird.

Eine echte Trendumkehr im Justizministerium – weg von den Sachwalternschaften hin zum menschenrechtskonformen Systemen der Unterstützten Entscheidungsfindung – ist allerdings noch nicht absehbar. Hier ist noch viel Überzeugungsarbeit notwendig.

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