Letzte Wochenschau am 14. Dezember?

Der ORF und seine verfehlte Programmpolitik geistern seit Monaten durch die Medien. Nun kommt es heraus: Trotz immer schlechter werdenden Programms explodiert der Verlust. Ein Kommentar.

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Eines gleich vorweg: Ich gehöre nicht zu jenen, die den ORF am liebsten einstellen würden oder privatisieren. Allerdings ist der ORF in der derzeitigen Verfassung ziemlich entbehrlich.

Der öffentlich-rechtliche österreichische Sender ORF erfüllt weder seinen Programmauftrag („Sendungen in den Bereichen Information, Kultur und Wissenschaft haben sich durch hohe Qualität auszuzeichnen“) noch die ebenfalls im ORF-Gesetz geforderten „Besondere Aufträge“ („Die Informationssendungen des Fernsehens sollen nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit so gestaltet sein, dass gehörlosen und gehörbehinderten Menschen das Verfolgen der Sendungen erleichtert wird“).

Seit Jahren wird auch das Programm (besonders im Bereich Information und Sport) immer schlechter und ist teilweise dem Niveau privater Fernsehanstalten ohne gesetzlich garantiertes Rundfunktentgelt nicht unähnlich, so meine Einschätzung. Zurecht muss offen hinterfragt werden, ob der ORF – oder Teile des ORF wie beispielsweise ORF 1 – nicht eigentlich Privatsender sind.

Abbau der Leistungen dafür mehr Steuergeld?

Der ORF baut – im Gegensatz zu den meisten öffentlich-rechtlichen Sendern – sein Programm und Leistungen für behinderte Menschen nicht deutlich aus, sondern diskutiert seit Wochen, ob er die ORF-Wochenschau – immerhin die einzige ORF-Nachrichtensendung, die wirklich sichtbar mit Gebärdensprachdolmetschung gesendet wird – einstellt.

Auch die Untertitelungsquote des gesamten ORF-Programm dümpelt noch immer deutlich unter 30 % herum und der Internetauftritt des ORF spottet jeder Beschreibung in Bezug auf Barrierefreiheit; (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Was hat die Regierung mit dem ORF vor?

Die EU-Kommission kritisiert schon länger die fehlende Kontrolle und Transparenz des ORF. Bisher hat die Politik in diesem Bereich versagt.

Im Regierungsprogramm wird daher festgehalten: „Das ORF-Gesetz ist im Lichte der Ergebnisse des derzeit laufenden Beihilfeverfahrens anzupassen.“ und weiters „Zur Zukunftssicherung des ORF sind alle notwendigen Maßnahmen im Unternehmen zu treffen, insbesondere um die finanzielle Basis nachhaltig zu sichern.“

100 Millionen Verlust wird der ORF heuer verzeichnen„, vermelden die ÖO-Nachrichten. Der ORF hat natürlich auch gleich einen Vorschlag: Der Staat soll ihm 57 Millionen Euro überweisen und so Einnahmenausfälle „der Gebührenbefreiung für sozial Bedürftige“ ersetzen.

Ob diese Forderung – gleich medienwirksam mit der Androhung („Sonst droht Insolvenz“) der Kündigung von bis zu 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bis ins Jahr 2012 – erfüllt wird, ist derzeit noch unklar. Möglich wäre es aber.

Michael Fleischhacker hat in seinem PRESSE-Leitartikel „Der ORF ist die AUA der Medien“ viele Versäumnisse des ORF und der zuständigen Politikerinnen und Politiker aufgezeigt: „Und diese Überlegungen kreisen, wie der legendäre ORF-General Gerd Bacher immer richtig zu sagen pflegt, nie um die Frage, wie es dem ORF gehe, sondern immer nur um die Frage, wie es Ihnen im ORF gehe.“

Und die Wochenschau?

Man hört, dass am 14. Dezember 2008 die letzte Ausgabe der Wochenschau gesendet werden könnte. Über die Zukunft von Sendungen wie „Wochenschau“ oder „Heimat, fremde Heimat“ wird in den nächsten Tagen entschieden, kündigte Informationsdirektor Elmar Oberhauser im Standard an.

Doch der anhaltende Protest verschiedener Parteien, Organisationen und des Publikumsrates, der vorher noch tagen wird, könnte diese Verschlechterungen vielleicht doch noch verhindern.

„Die ‚Wochenschau‘ muss billiger werden“, kündigte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz im Standard an und stellt damit erstmals in den Raum, dass die Sendung erhalten bleiben könnte. Ist dies schon das erste Anzeichen für ein Zurückrudern seitens des – manche sagen „noch“ – Generaldirektors Wrabetz?

Inhaltlich ist der Wrabetz-Vorschlag insoweit interessant, da sich der ORF mit der Einstellung der Wochenschau nur rund 200.000 Euro ersparen würde. (Nur zum Vergleich: ORF-Generaldirektor Wrabetz verdient laut Standard rund 350.000 Euro pro Jahr.)

Ausbau statt Rückschritt

So wichtig die Wochenschau auch ist: Es geht nicht nur um die Wochenschau und das Verhindern der Einstellung. Der ORF muss als öffentlich rechtlicher Sender endlich für behinderte Menschen ein ordentliches Angebot liefern. Dies reicht von 100 %iger Untertitelung, über thematisch ansprechende Beiträge bis zu barrierefreien Internetauftritten.

Ein anderer Standard-Artikel bringt es auf den Punkt: „Dass es auch anders geht, sieht man etwa in den Niederlanden und in Dänemark; und auch die BBC untertitelt seit Jahren sogar ihr komplettes Programm. In den USA wird selbst von privaten Sendern über weite Strecken (bis hin zu Werbeeinschaltungen) untertitelt. Nur im deutschsprachigen Raum (ORF, ZDF) scheint nie die richtige Zeit zu kommen, sich um ein Minderheitenproblem zu kümmern.“

Die Erfahrung zeigt, dass der ORF von sich aus nicht ernsthafte Anstrengungen zur Erreichung der Barrierefreiheit setzt.

Daher könnte es notwendig werden, dass der Gesetzgeber ihn per Änderung des ORF-Gesetzes dazu zwingt oder einzelne Betroffene den ORF auf Einhaltung des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes klagen, welches er auch seit Jahren wissentlich nicht einhält.

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