Ansicht Behindertengleichstellungsgesetz

(K)ein Grund zur Freude

Der 6. Juli 2005 - der Tag der Beschlussfassung des Behindertengleichstellungsgesetzes im Nationalrat - hätte ein Jubeltag werden können.

Mehr als 10 Jahre intensiver Arbeit liegen nun hinter uns. Die Forderung nach einem Gleichstellungsgesetz wurde erfüllt. Politik und Betroffenene hätten – wie z. B. in den USA – den Erfolg gemeinsam feiern können. Es wäre auch so gekommen, wenn der Text nicht so schwach und die Vorgangsweise der Regierung nicht so beschämend gewesen wäre.

Lange und hart haben die Vertreterinnen und Vertreter der Integrations- und Selbstbestimmt-Leben-Bewegung käm­pfen müssen, bis in Österreich das Thema Gleichstellung überhaupt wahr genommen wurde.

Zehntausende Unterschriften, tausende Gespräche und hunderte Artikel – und viele Jahre – später war es so weit. Endlich erkannte die Politik (und auch der Rest der Behindertenbewegung), dass um Gleichstellung gekämpft werden muss.

Das erste Etappenziel konnte mit der Verfassungsbestimmung „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.“ im Jahr 1997 erreicht werden.

Der nächste große Schritt war im Jahr 1999 die Vorlage eines 120 Seiten dicken Berichtes des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes, der mehr als 100 Diskriminierungen in der österreichischen Rechtsordnung aufzeigte. Doch das Ziel war von Anfang an ein umfassendes Behinder­tengleich­stellungsgesetz, das den Alltag behinderter Menschen wesentlich verbessert. Das große Vorbild für uns alle: Ein Gesetz, das die USA 1990 beschlossen hatten. Wir wussten all die Jahre, dass der Kampf langwierig und hart werden würde. Und genau so kam es auch.

Der dritte Anlauf

Der erste Entwurf eines Behindertengleichstellungsgesetzes (erstellt in einer BIZEPS-Arbeitsgruppe, an der Prof. Heinz Barazon einen maßgeblichen Anteil hatte) wurde im Jahr 1999 von den Liberalen (durch Volker Kier) ins Parlament eingebracht. Doch er hatte ebensowenig Chance auf Verwirklichung wie der nach dem Ausscheiden der Liberalen von den GRÜNEN (durch Theresia Haidlmayr) im Jahr 2000 eingebrachte Entwurf.

Nach einer längeren Pause kam erst im Frühjahr 2003 wieder Hoffnung auf. Die Regierung, bestehend aus ÖVP und (damals) FPÖ, einigte sich auf die Aufnahme des Behin­der­ten­gleich­stellungs­ge­setzes in das Regierungsprogramm. Im heurigen Frühjahr kam ein entsprechender Entwurf ins Parlament und war somit der dritte Anlauf für ein Gesetz.

Doch dieses Mal kam die Initiative von der Regierung und hatte daher Chance auf Realisierung. Am 6. Juli 2005 beschloss der Nationalrat den Gesetzesvorschlag mit den Stimmen der ÖVP und dem (nunmehrigen) BZÖ.

Eigentlich könnte man annehmen, dass Jubel über diesen Beschluss ausbrechen würde. Doch der magere Inhalt und die Vorgangsweise der Regierung, sich in vielen Punkten bei der Gesetzwerdung gegen die Interessen der Betroffenen zu wenden, verhinderte dies.

Hoher Symbolwert

Was nun vorliegt hat hohen Symbolwert und kann wichtiger Angelpunkt für die Gleichstellungsbemühungen der nächsten Jahre sein, dies ist ein Grund zur Freude.

Aber kein Grund zur Freude ist, was in diesem Gesetz alles an wichtigen Punkten fehlt (von umfassender Barrierefreiheit über starke Rechtsdurchsetzung bis zur Bildung).

Damit dieses Gesetz wirklich UNSER Gesetz wird, muss sich noch viel ändern und viel ergänzt werden.

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