Julius-Tandler-Platz soll Ort des Gedenkens werden

Huainigg fordert anlässlich der parlamentarischen Gedenksitzung: Stadt Wien muss sich von der Vernichtungsideologie Julius Tandlers distanzieren!

Gedenktag im Parlament am 20120504
BIZEPS

In der Gedenksitzung am 4. Mai werden das Parlament und das offizielle Österreich der Gräueltaten während der NS-Zeit an Menschen mit Behinderungen gedenken. (Siehe Fotos von der Veranstaltung)

In Österreich wurden geschätzte 100.000 Menschen aufgrund einer Behinderung als „unwertes“ Leben eingestuft und getötet. 800 kamen am Spiegelgrund ums Leben, die zuvor durch Unterernährung geschwächt, in pseudowissenschaftlichen Forschungen gequält und danach getötet worden sind. In Hartheim wurden im Rahmen der T4-Aktion 30.000 behinderte und pflegebedürftige Menschen als „nicht lebensfähig“ eingestuft und vergast. Bis zu 10.000 Menschen mit Behinderungen wurden auf Basis der Rassenhygiene in Österreich zwangssterilisiert. Zahlreiche Fälle sind bis heute nicht geklärt, erinnert Huainigg an die abstoßende Bilanz des NS-Regimes.

„Es ist Zeit, dass wir nicht länger wegschauen, sondern aus der Geschichte lernen und politische Konsequenzen ziehen“, sagt Huainigg, auf dessen Anregung die heurige parlamentarische Gedenksitzung der Euthanasieopfer mit Behinderung gedacht wird.

„Wir haben zu lange weggeschaut und die Aufarbeitung dieser erschreckenden Vergangenheit nur halbherzig vorangetrieben“, mahnt der ÖVP-Sprecher für Menschen mit Behinderung.

Er gibt zu bedenken, dass der NS-Arzt Heinrich Gross, der die Tötung zahlreicher behinderter Kinder auf dem Gewissen hat, in der Zweiten Republik auf der Basis seiner sadistischen Menschenversuche im Namen der Medizin als einer der gefragtesten Psychiatrie-Gutachter noch einmal Karriere machte und sich später altersbedingt der gerichtlichen Verantwortung entziehen konnte.

Julius Tandler: Stadt Wien muss sich distanzieren

„Einen wahren blinden Fleck hat die Wiener Stadtregierung im Umgang mit Julius Tandler, dem zu Ehren ein Platz in der Stadt gewidmet ist“, sagt Huainigg und erinnert an die menschenverachtenden Theorien des ehemaligen sozialdemokratischen Stadtrates und Unterstaatssekretärs für Volksgesundheit: Tandler vertrat in Aufsätzen und Vorträgen mehrfach die Forderung nach der Vernichtung bzw. Sterilisierung von „unwertem Leben“ und war damit ideologischer Wegbereiter der NS-Massenvernichtung an „lebensunwertem Leben“ in Schloss Hartheim.

In einer Rede im Februar 1923 und in einem in der Wiener Medizinischen Wochenschau vom 19. Jänner 1924 abgedruckten Vortrag stellte er etwa die Forderung nach der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Überdies war er ein Theoretiker der „Aufzuchtsoptimierung“ als Hauptgewicht sozialer Bevölkerungspolitik. Umgesetzt wurden seine Ideen in der nationalsozialistischen Euthanasiestation Schloss Hartheim.

„Ungeachtet der Leistungen des sozialdemokratischen Politikers Julius Tandler in Hinblick auf das Wohlfahrts- und Gesundheitswesens der Stadt Wien darf das Vorantreiben der Zwangssterilisationen und Vernichtung unwerten Lebens nicht wie bisher einfach unbeachtet unter den Teppich gekehrt bleiben“, sagt Huainigg und fordert die Wiener Stadtregierung auf, ehebaldigst eine Historikerkommission einzusetzen, die das Gesamtbild von Julius Tandler ohne politische Tabus beleuchtet und Konsequenzen zieht.

So kann sich Huainigg vorstellen, dass der Julius-Tandler-Platz in Wien weiterhin als Mahn- und Gedenkstätte erhalten bleibt, „allerdings muss die Stadt Wien am Platz eine Gedenktafel aufstellen, die die Euthanasie-Ideologie von Julius Tandler an behinderten Menschen detailliert darlegt und sich die Stadt Wien davon distanziert“. Diese Forderung unterstreicht Huainigg mit einem haarsträubenden Zitat von Julius Tandler: „Eugenisches Gewissen? Drum prüfe, wer sich ewig bindet“.

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