Ist Justitia als Göttin der Gerechtigkeit körperlich ungeeignet?

Justitia ist blind! Ist das ein Problem?

Justitia
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Wieder einmal zeigte sich drastisch, dass bei behinderten Menschen die Qualifikation weit weniger wiegt als ihre Behinderung. Die blinde kärntner Juristin, Mag. Andrea Z***, die erfolgreich das Gerichtsjahr absolvierte, wird nun unsanft aus ihrem Traum, Richterin werden zu wollen, gerissen. Grund dafür ist die Regelung des § 2 Abs. 1 Z 3 des Richterdienstgesetzes, der als Voraussetzung für die Übernahme als Richteramtsanwärterin die uneingeschränkte persönliche, geistige und fachliche Eignung sowie die körperliche Eignung für den Richterdienst verlangt. So weit, so gut. Doch darüber, ob diese Eignungskriterien erfüllt sind, hat der jeweilige Präsident des Oberlandesgerichtes zu befinden, der den Ernennungsvorschlag an den Justizminister zu erstatten hat.

Aus Sicht der Justiz gilt eine Juristin wegen ihrer Blindheit laut Presseaussendung des BMJ vom 26.9.2002 als körperlich ungeeignet für den Richterdienst – auch wenn diese ein Jusstudium und die Gerichtspraxis erfolgreich absolviert hat. Und so wurde aus der Ernennung von Mag. Z*** zur Richteramtsanwärterin nichts.

Der Haken ist dabei nur, dass kein Rechtsanspruch auf eine Ernennung zur Richteramtsanwärterin besteht und damit auch kein Bescheid erlassen wird, den man anfechten könnte. Damit ist aber auch diese Gesetzesinterpretation, die klar dem Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen in Art. 7 Abs. 1 dritter Satz B-VG widerspricht nicht bekämpfbar.

Der Verein Blickkontakt kennt diese massiv diskriminierende Situation wegen seines jahrelangen Engagements in Sachen Behindertengleichstellung nur zu gut. Bereits im Jahr 1998 wurde diese Rechtsvorschrift und die damit verbundene Auslegungspraxis der Gerichte und des Justizministeriums in der Arbeitsgruppe zur Durchforstung des Bundesrechts nach behindertendiskriminierenden Bestimmungen im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes diskutiert. Die Vertreter der Justiz meinten diesbezüglich, dass ein Richter auch einen optischen Eindruck für eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung benötige.

Aus der Erfahrung anderer blinder Juristen, so auch Mag. Michael Krispl (Blickkontakt), kann man aber sagen, dass es eine Vielzahl von Gerichtsbereichen gibt – etwa Exekutions- oder Arbeits- und Sozialrecht – in denen ein optischer Eindruck überhaupt nicht relevant ist. Und es fragt sich auch, ob die Qualität der Justiz in Deutschland darunter leidet, dass dort auch blinde Richter tätig sind? Es fehlt also offensichtlich am Willen, ein vorgefasstes verzerrtes Bild von blinden Juristen richtig stellen zu lassen. Eines ist jedenfalls klar: Ein derart diskriminierender Ausschluss blinder JuristInnen von einem juristischen Beruf ist völlig unhaltbar und daher haben sich die politischen RepräsentantInnen dieses Landes darauf zu besinnen, dass sie sich ja laut Verfassung dazu bekennen, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.

Allen voran ist aber der derzeitige Justizminister, Dr. Dieter Böhmdorfer, aufgerufen, diese diskriminierende Situation für behinderte Menschen in seinem Kompetenzbereich zu beseitigen, hat er sich doch erst jüngst via Medien dazu verpflichtet. Doch die Stellungnahme des BMJ dazu war ernüchternd, denn man meinte, dass das ja nicht eine Verhinderung einer beruflichen Karriere sei, sondern im Interesse der rechtssuchenden Bevölkerung so gesehen werde.

Doch hatte man doch einige aufmunternde Worte für Frau Mag. Z*** parat: „Entgegen der Aussage der Diskriminierung von Sehbehinderten durch die Justiz sei festzuhalten, dass bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften im Kanzlei- und Telefondienst insgesamt 13 blinde Personen beschäftigt sind.“ Bleibt nur zu hoffen, dass das kein Jobangebot gewesen sein soll.

Eine sinnvolle und umfassende Behindertengleichstellung wird man in Österreich jedoch nur mit einem tiefgreifenden und umfassenden Behindertengleichstellungsgesetz erreichen.

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