Im Dunkel verirrt. Kritik an einer Spendenaktion des ORF

"Licht ins Dunkel" heißt die jährliche Weihnachtsaktion des ORF. Das ist keineswegs eine Spendenaktion für investigativen Journalismus, sondern eine Kampagne, in der um Spenden für die Unterstützung behinderter Menschen geworben wird.

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BIZEPS

Initiiert wurde die Aktion 1973 von einem ORF-Landesintendanten, nachdem er eine Behinderteneinrichtung besucht hatte und offensichtlich der Auffassung war, behinderte Menschen würden ein Leben in Dunkelheit führen.

Ausgerechnet zum 40. Geburtstag der Aktion sieht sich der ORF mit massiver Kritik konfrontiert – nicht zum ersten Mal und ausgerechnet von denen, die von der Kampagne eigentlich profitieren sollen: Behinderte Menschen. Auslöser ist der diesjährige Werbefilm zu der Kampagne, in dem eine Gruppe Jungen zu sehen ist, die sich darüber austauschen, was sie später einmal werden möchten. Einer möchte Fußballspieler werden. Ein anderer sagt: „Ich möchte einmal Knochendoktor, Nervendoktor, Muskeldoktor und Gehirndoktor werden“, und erklärt dann: „Damit mein Bruder Fußballspieler werden kann.“ Erst dann sieht man, dass der Junge, der zuvor sagte, er wolle Fußballspieler werden, im Rollstuhl sitzt.

Behindertenverbände, behinderte Menschen und sogar österreichische Parlamentsabgeordnete von vier im österreichischen Parlament vertretenen Parteien kritisierten den Werbespot: „Der Spot mit Kindern, die sich über ihre Zukunft unterhalten, wirkt auf den ersten Blick sehr harmlos, hat es aber in sich“, sagt der ÖVP-Abgeordnete Franz-Joseph Huainigg, der selbst Rollstuhlfahrer ist. Mit dem Spot werde impliziert, dass Behinderung heilbar ist. Stattdessen sollte man besser die Fähigkeiten und nicht die Defizite behinderter Menschen in den Vordergrund stellen.

Huainigg fordert, der ORF solle den Spot zurückziehen, da in ihm behinderte Menschen wieder zu „armen Hascherln“ degradiert werden. Auch die Grünen Österreichs haben eine Absetzung des Spots gefordert. Die SPÖ mahnte an, sich von einem defizitorientierten Bild behinderter Menschen zu verabschieden und auch die rechtskonservative FPÖ forderte den ORF auf, endlich behinderte Menschen an der Kampagnengestaltung zu beteiligen.

Der ORF zeigte sich überrascht von den Reaktionen. In einem Brief an das Behindertenberatungszentrum BIZEPS verteidigte der Sender den Spot. Man habe „die Solidarität und Gemeinsamkeit der Kinder“ in den Vordergrund rücken wollen. „In der dargestellten Situation sind alle gleich,“ schreibt der Sender weiter. Es sei dem ORF nicht um die Darstellung einen Defizits oder die Erregung von Mitleid gegangen. „Der ORF versteht gar nicht, worum es uns geht,“ sagt Martin Ladstätter, Vorsitzender von BIZEPS. „Man hätte den Zuschauern besser vermitteln sollen, dass Menschen verschieden sind. Und das ist gut so.“

Die Kritik an der Kampagne ist nicht neu und bezieht sich seit Jahren auch auf den Namen der Aktion. ÖVP-Abgeordneter Huainigg startete bereits 2007 einen Gegenkampagne zu „Licht ins Dunkel“ und nannte sie „Nicht ins Dunkel.“ Er forderte den ORF auf, endlich in Dialog mit behinderten Menschen zu treten statt nur für sie Geld zu sammeln und forderte einen Paradigmenwechsel wie das ZDF ihn mit der Umbenennung der „Aktion Sorgenkind“ in „Aktion Mensch“ bereits vollzogen habe.

Mit Slogans wie „Aus Hilfe wird Partnerschaft“, „Aus Rücksicht wird Respekt“ und „Aus Gegenwart wird Zukunft“ wurde mit der Umbenennung das neue Selbstverständnis der Organisation und ein modernes Bild von Menschen mit Behinderungen vermittelt. Doch der ORF scheint das Spendenprogramm, bei dem die Hilfeempfänger sich herabgesetzt fühlen, einfach weiterlaufen zu lassen. Das ist weder zeitgemäß noch empfehlenswert.

(Aus der epd-medien 49/2013. Mit freundlicher Genehmigung des evangelischen Pressedienstes.)

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