Haimbuchner: Bauvorschriften auf ein vernünftiges Maß reduzieren

Barrierefreiheit möchte er in Zukunft nur mehr dort, "wo den Betroffenen auch tatsächlich geholfen ist". Wo das konkret seiner Meinung nach ist, teilte er im Interview nicht mit.

Dr. Manfred Haimbuchner
Land OÖ/Daniel Kauder

Den sozialen Wohnbau möchte Haimbuchner nicht mit 100 %iger Barrierefreiheit überstrapazieren. Hier sieht er Sparpotenzial.

Die Aufregung war groß, als Landesrat Haimbuchner Anfang Juli 2010 im Rahmen einer Pressekonferenz seine Einsparungsvorschläge bei der Wohnbauförderung präsentierte. Stein des Anstoßes war u.a. die Formulierung „Barrierefreiheit: Eine flächendeckende Barrierefreiheit ist überzogen. Die Standards für barrierefreies Bauen sind vernünftig, jedoch nur dort, wo sie tatsächlich benötigt werden. Beispielsweise in Senioren- und Pflegeheimen.“

Was damit konkret gemeint ist, war in der Tragweite nicht abschätzbar. BIZEPS-INFO führte daher folgendes schriftliche Interview mit dem oberösterreichischen Wohnbau-Landesrat, Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ). Die Fragen stellten Mag. Manfred Fischer und Martin Ladstätter.

Interview

BIZEPS-INFO: In Ihrem Antwortbrief an uns schrieben Sie: „Die 100%ige Barrierefreiheit für alle neu zu errichtenden Wohnungen halte ich wegen der Finanzierbarkeit für äußerst problematisch und denke, dass ein dem tatsächlichen Bedarf entsprechendes Verhältnis angestrebt werden sollte.“

Einschlägige Studien aus Deutschland, der Schweiz (Studie der ETH Zürich – Eidgenössische Technische Hochschule Zürich) und Österreich (Bundesland Tirol, Salzburg) haben laut Experten ergeben, dass im Wohnbau bei vorausschauender Planung lediglich Mehrkosten der Barrierefreiheit von 3,5 Prozent zu erwarten sind (einschl. Lift).

In einer Studie der ETH Zürich zum Thema Kosten von Barrierefreiheit kommen die Experten zum Schluss, dass sich die Mehrkosten (abhängig vom Gesamtvolumen des Gebäudes) in der Höhe der Endreinigungskosten nach Baufertigstellung bewegen. Sind diese Mehrkosten Ihrer Meinung nach wirklich nicht finanzierbar?

Landesrat Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Natürlich ist Barrierefreiheit finanzierbar. Es schmälert allerdings die Bauleistung. Das heißt, es gibt weniger Wohnungen. Daher hinterfrage ich den Sinn und spreche von Bauvorschriften, die wieder auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren sind. Damit stelle ich nicht ausschließlich die 100 %ige Barrierefreiheit in Frage. Ich kritisiere auch andere Bauvorschriften, z.B. dass Notkamine verlangt werden, die dann zu verschließen sind, oder die Vorschrift, dass pro 50 m2 Wohnfläche ein Fahradabstellplatz zu errichten ist.

Um aber bei der Barrierefreiheit zu bleiben: Liftkosten, Grundkosten für überbreite Stiegenhäuser, die Situierung von Allgemeinräumen dort, wo der Einbau von barrierefreien Wohnungen Sinn machen würde, kommt nicht nur in der Errichtung teuer, sondern auch in der Erhaltung. Experten, die davon sprechen, dass sich die Kosten hier lediglich im Bereich der Endreinigung bewegen, sind mir nicht bekannt.        

BIZEPS-INFO: Sie werden in den Oberösterreichischen Nachrichten mit folgenden Worten zitiert „Nachträgliche Umbauten, wo diese benötigt werden, werden ja ebenfalls gefördert und sind billiger“. Welche Berechnungen liegen Ihrer Feststellung zu Grunde?

Landesrat Haimbuchner (FPÖ): Würde man die Frage der Barrierefreiheit nach rein mathematischen Gesichtspunkten beurteilen (wie Sie das soeben machen), dann müsste konsequenter Weise auch eine Gegenüberstellung des Bedarfs an barrierefreien Wohnungen mit der Anzahl an gehbehinderten Menschen nach sich ziehen. Ich mache das nicht und trete dafür ein, eine vernünftige, Anzahl an barrierefreien Wohnungen dort zu errichten, wo den Betroffenen auch tatsächlich geholfen ist. Ändern sich die Lebensumstände infolge durch Unfall oder Krankheit, halte ich es für sinnvoller, eine Wohnung bedarfsgerecht zu sanieren, als 100 % barrierfrei zu errichten.      

BIZEPS-INFO: 22 Prozent der oberösterreichischen Bevölkerung gehören derzeit der Generation 60+ an. Ihre Zahl wird in den nächsten zehn Jahren auf 26 Prozent und damit 315.000 Personen steigen – unsere Gesellschaft wird also immer älter. Damit werden auch Menschen mit Gehbeeinträchtigungen immer mehr. Nicht barrierefreier Wohnbau bedeutet auch, dass Personen in Zukunft dazu verurteilt sind, bei Eintritt von Behinderung durch Unfall oder Alter – in einer Situation, in der sie ohnehin ausreichend Schwierigkeiten haben – die Wohnung wechseln zu müssen. Sehen Sie nicht den volkswirtschaftlichen Schaden, den Sie damit hervorrufen?

Landesrat Haimbuchner (FPÖ): Die Menschen mit Gehbehinderung werden mit zunehmendem Alter sicher mehr. Aber es werden sicher nicht 100 % der von Ihnen zitierten 26 % sein. Und selbst wenn Sie von 26 % sprechen, dann stellt sich schon die Frage, ob 74 % der Bevölkerung barrierefreie Wohnungen brauchen.  

BIZEPS-INFO: Sie hielten in einem Schreiben an uns fest: „Die Standards für barrierefreies Bauen sind vernünftig, jedoch nur dort, wo sie tatsächlich benötigt werden. Beispielsweise in Senioren- und Pflegeheimen.“ Welche Bereiche wollen Sie in Zukunft KONKRET nicht mehr barrierefrei ausgestalten?

Landesrat Haimbuchner (FPÖ): Konkret sind es die 100 %, die ich nicht mehr barrierefrei fördern möchte. Eine bestimmte Anzahl an Wohnungen pro Hausanlage, ebenerdig situiert und daher leicht zu erreichen, macht Sinn, barrierefrei errichtet zu werden. Aber bei einer Dachwohnung stellt sich schon die Frage, ob hier der soziale Wohnbau nicht überstrapaziert wird.

BIZEPS-INFO: Waren Sie selbst schon ein Mal temporär behindert (Gipsfuß) und auf Barrierefreiheit angewiesen?

Landesrat Haimbuchner (FPÖ): Ja, und mein Elternhaus, in dem ich wohne, wurde auch nicht barrierefrei errichtet. Probleme gab es natürlich, aber sie waren zu bewältigen. Ihre Frage bestätigt aber etwas, was der gesamten Diskussion um die Barrierefreiheit zueigen ist: Behinderungen können vielfältig sein, gesprochen wird aber von der Gehbehinderung.
BIZEPS-INFO: Wir danken für das Interview.

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