Gewalt, Missbrauch und Sondereinrichtungen

Die aktuellen Gewaltvorwürfe gegen MitarbeiterInnen des Elisabethinums machen betroffen. Ein Kommentar von Wolfgang Begus.

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Einen Tag nach Erscheinen des Artikels (siehe auch) kam auch schon die „Relativierung“ per E-Mail. In „mein Elisabethinum“ wird ausführlich auf die liebevollen Schwestern hingewiesen und wie verletzend solche Gewaltvorwürfe für die „heile Welt“ der Schreiberin sind.

Die Suggestionskraft des Schreibens ist ein gutes Beispiel dafür, wie die „Täter-Opfer-Umkehrung“ sanft, aber gut funktioniert. Es wird auch deutlich, dass scheinbar „liebevolle“ und „fürsorgliche“ Einrichtungen kein Garant gegen Gewalt sind. Ich würde diese „Liebe“ nur zu gern gegen echten Respekt und Gleichberechtigung eingetauscht sehen.

Es reicht auch nicht, immer wieder darauf zu verweisen, dass solche Fälle zwar schlimm, aber vor langer Zeit passiert sind, und dass heute eh alles viel besser ist. Die heutigen Fälle (ich gehe davon aus, dass es die gibt) in 30 Jahren zu besprechen wird nicht zielführend sein. Dass ein Opfer jahrelang schweigt, kann ich nachvollziehen, aber innerhalb von „Einrichtungen“, Betrieben und Dienstleistern ist die Frage „wie gehen wir miteinander um“ immer wieder wichtig und hilfreich. Und „wegschauen“ hat noch nie was verbessert.

Als Vater frage ich mich oft, was Kinder mit Lernschwierigkeiten und Mehrfachbehinderung, die sich nicht oder sehr schwer artikulieren können, über ihren „Schul- und Heimalltag“ zu erzählen haben. Und dabei denke ich nicht nur an Gewalt im Sinne von geschlagenen Kindern, sondern auch an „strukturelle Gewalt“, die kleinen Grenzüberschreitungen, die in Summe Abwertung ergeben, und den manchmal vorhandenen Wahn, möglichst jede Entwicklungen auf therapeutische Maßnahmen zurückzuführen.

Während die Verfolgung der konkreten Gewaltfälle eine Sache für den Staatsanwalt ist, geht ein respektvolles und „normales“ Zusammenleben jeden einzelnen an. Die UN-Konvention verspricht Schutz vor Einrichtungen, die Kinder (und Erwachsene) aus ihrer normalen Umgebung reißen und auf Kosten der Lebensqualität versuchen aus Kindern mit Behinderung um jeden Preis (man könnte auch sagen: „mit Gewalt“) angepasste und funktionierende Menschen zu machen. Sie verspricht Schutz vor Aussonderung und Sonderbeschulung.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie gern von Menschenrechten geredet, aber dann doch in Sondereinrichtungen und „Alles-inklusive-Anstalten“ investiert wird.

Abschließend sei noch einen Artikel von Herrn Schwanninger empfohlen, der eindrucksvoll zeigt, wie „therapeutische Strukturen“ an den Bedürfnissen der Klienten vorbeigehen können und sich letztlich „gewaltig“ auf die betroffenen Personen auswirken.

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