Friede, Freude, Mitleidskuchen

Ein "Licht ins Dunkel", das den Blick auf entscheidende Fragen verstellt - Ein Kommentar von Abg.z.NR Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP) im Standard.

Franz-Joseph Huainigg
Christian Müller

Wenn alljährlich der ORF mit dem Weihnachtsglöckchen läutet und Licht in das dunkle Studio bringt, versammelt sich um den festlich geschmückten Christbaum alles, was Rang und Namen hat. Sänger, Schauspieler, Politiker, Künstler, TV-Lieblinge stellen sich mit Gaben für einen guten Zweck ein: Behinderten österreichischen Kindern soll geholfen werden. Die Aktion „Licht ins Dunkel“ gehört seit dreißig Jahren zu Weihnachten wie das Kipferl zum Kaffee.

Spenden zu sammeln wäre an und für sich ein löbliches Unterfangen, wenn nicht „Licht ins Dunkel“ im Laufe der Jahre eine eigenartige Dynamik mit sich gebracht hätte: Um möglichst viele Spenden zu lukrieren und jedes Jahr einen neuen Rekord aufzustellen, wird tief in die Mitleidskiste gegriffen. Arme behinderte, bedauernswerte Hascherln flimmern in die Wohnzimmer. Diese Bilder graben sich tief in unser Bewusstsein ein und prägen die Meinung, dass behinderte Menschen in erster Linie Almosenempfänger sind.

Keine Reformen …
Das verletzt nicht nur die Betroffenen, es wird dadurch auch der Blick auf die enorme Bereicherung, die unsere Gesellschaft durch behinderte Menschen erfährt, versperrt. Die Einladung war wohl durchaus ehrlich gemeint. Reformen seien angesagt. Man wolle das Bild behinderter Menschen in der Sendung verändern und würde sich daher freuen, wenn ein Politiker im Rollstuhl als Gast in die Weihnachtssendung kommt.

Gewissenskonflikt meinerseits. Muss man diesen Weg nicht unterstützen? Habe ich nicht selbst immer kritisiert, dass Betroffene nie als Gäste in der Sendung auftreten? Kann ich als Politiker es überhaupt ablehnen, zur Primetime mit Elmar Oberhauser meine Anliegen darzustellen und auf die Aktion „Lehre ohne Barriere“ hinzuweisen?

Letztendlich habe ich die Einladung abgelehnt, da wenige Minuten in einer wochenlangen Medienaktion kaum Wirkung zeigen würden. Die heurige „Licht ins Dunkel“-Gala enttäuschte. Traten letztes Jahr erstmals selbstbewusste behinderte Sänger, Kabarettisten und Sportler auf, vermisste man diese heuer wieder völlig. Nach altbewährtem Strickmuster wurde für Spenden geworben: Promis erzählten Weihnachtsgeschichten, Fernsehstars am Telefon, Spots mit in Werkstätten bastelnden behinderten Kindern.

Dazwischen Appell an die Moral: „Du bist ja auch Papa und Großpapa“, fragt Barbara Stöckl den Fußballstar Prohaska, „Wie glücklich ist man, wenn man gesunde Kinder hat und die Geschichten von behinderten Kindern hört?“ Prohaska antwortet brav: „Sehr glücklich und demütig. Deshalb helfe ich gerne.“ Allein das altbewährte Rezept wollte diesmal nicht aufgehen: Ein neuer Spendenrekord, den man, wie wiederholt betont wurde, ja ohnehin nicht angestrebt hat, blieb aus.

Szenenwechsel. Der neue Schirmherr von „Licht ins Dunkel“, Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, lädt behinderte Menschen zur Weihnachtsjause in die Hofburg. Kredenzt wird Kuchen, Kaffee, Saft und . . . Kakao. Ein Kinderknabenchor singt, eine Militärkapelle spielt auf, die behinderten Gäste zeigen Dankbarkeit. Die Erwartungen an den neuen Präsidenten sind hoch und bleiben hoffentlich nicht bei Weihnachtsjause und Engagement für „Licht ins Dunkel“ stecken.

Gibt es beispielsweise einen Gebärdendolmetscher für die nächste Neujahrsansprache? Wird er klare Worte finden, wenn die europäische Euthanasiediskussion nach Österreich überschwappt? Bleibt es beim weihnachtlichen Hände schütteln von Gästen mit Downsyndrom oder wird der Bundespräsident zu einem wichtigen Vermittler zwischen Frauen- und Behindertenbewegung in Fragen der eugenischen Indikation, der zufolge potenziell behinderte Föten bis zur Geburt abgetrieben werden können.

… sondern Relaunch
Passiert dies nicht, wird das freundliche Lächeln von Menschen mit Downsyndrom bald aus der Welt verschwinden, ein großes Unrecht. Ein Gesamtrelaunch für „Licht ins Dunkel“ ist dringend erforderlich. Wichtige neue Impulse im Sinne von behinderten Menschen tun Not. Selbst Betroffene sind in der Lage ein realistisches Lebensbild zu zeichnen. Durch Gebärdensprachdolmetschung könnten gehörlose Menschen die Sendung mitverfolgen. Eine blinde Moderatorin wäre ein Meilenstein in der ORF-Geschichte.

Neben Spenden könnten solidarische Aktionen die Bilanz wesentlich aufwerten. Wenn etwa eine große Lebensmittelkette behinderte Lehrlinge anstellt und alle Filialen für Rollstuhlfahrer barrierefrei zugänglich macht. Damit könnte man nachhaltige Verbesserungen für behinderte Menschen bewirken.

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