„Fonds Soziales Wien – FSW“: Schubumkehr – „Ab ins Heim?“

In welche Richtung geht die österreichische Sozialpolitik?

Fonds Soziales Wien
FSW

Betroffene werden ja als Kunden im Sozialbereich bezeichnet.

„Der Kunde ist König“: Ist das wirklich so, oder wird da etwa für einige aufmüpfige Betroffene aus der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung ein latentes Abhängigkeitsverhältnis geschaffen, um sie mundtot zu machen, da sie ja auf Hilfe und Geldleistungen angewiesen sind, um effektiv zu arbeiten und ein menschenwürdiges Dasein zu führen?

Durch „freiwillige Leistungen“, Pilotversuche, Einzelfalllösungen, Härtefall-Sonderförderung, wie auch immer diese Leistungen an eine beschränkte Personengruppe genannt werden, engagierte behinderte Menschen von Geldleistung und Hilfe abhängig zu machen, sie dann wieder im Ungewissen zu lassen, ob sie die nötige Hilfe weiter in dieser Form bekommen, ist mehrfach zu verurteilen, da ja dies scheinbar Taktik ist, um die Behindertenbewegung nach der Devise „divide et impera“ ((zer)teile und (be)herrsche) zu zersplittern und sie in „Ohnmacht“ zu halten.

Bei manchen Behindertenorganisationen und Vertretungen wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, dass einige Interessenvertretungen vom Staat zumindest neutralisiert und homogenisiert worden sind, gezähmt und mundtot gemacht und mit Geld und Projekten „zugeschüttet“ wurden und werden. Man bemerke, wie Neid und Missgunst provoziert werden, nicht nur unter den Betroffenen selbst, sondern auch seitens einer immer größer werdenden, verarmenden Bevölkerungsschicht in einer der reichsten Städte und einem der reichsten Länder der Welt.

Der Unterschied zu früher ist, …

dass nun behinderte Personen und Organisationen ins System eingebunden sind, sie erfahren haben, wie viele Geldmittel für diverse Projekte (auch Heime und Tagesstätten) zur Verfügung stehen und nun auch einen Anteil am großen „Sozialkuchen“ haben wollen. Bei manchen ist die Devise, sich anzupassen, denn sonst wird vermutlich der Geldhahn abgedreht. Man hat aber vergessen, dass unser Sozialsystem ohne ehrenamtliche Aktivisten zusammenbrechen würde. Man fördert seitens der politisch Verantwortlichen mit ihrem derzeitigen Kurs eine weitere Eskalation und Unzufriedenheit.

Es ist schwer festzustellen, welche Kosten beim FSW für Verwaltung, Miete und Angestellten anfallen, wie viele Mittel in Heime und andere stationäre Wohneinrichtungen, auch in Tagesstätten fließen, und wie viel Geld, sicherlich nur ein Bruchteil der übrigen Mittel, direkt für Betroffene, die sich ihre Hilfe selbst organisieren, aufgewendet wird.

Das Rad zurückdrehen?

Momentan gibt es von der Politik Anzeichen, wieder einen Schwenk in Richtung „Ab ins Heim“ – statt „menschenwürdig daheim“. Die neuen Förderrichtlinien zur so genannten „24-Stunden-Betreuung“ haben keine essenzielle Verbesserung für Betroffene gebracht. Sozialminister Buchinger möchte zukünftig nur den Ausbau von Sachleistungen favorisieren, dies sogar zu Lasten bisheriger Geldleistungen. Er schlug vor, „die Valorisierung beim Pflegegeld unterhalb der Inflationsgrenze zu lassen“ und jenen Betrag, den man sich dadurch erspare, in den Ausbau von Sachleistungen zu investieren.

Manche Landespolitiker träumen vielleicht sogar schon vom Ende der Ambulantisierung des Pflegebereiches. So gab es am 16.9.07 auf einem regionalen TV-Sender im oö. Innviertel einen Bericht aus Braunau über den „erfolgreichen Ausbau des Pflegeheimes zu einem Fünf-Sterne-Haus“.

Noch viele Pflegeheimplätze nötig?

Dabei wurde betont, dass noch viele Pflegeheimplätze nötig seien, insbesondere dann, wenn die Amnestieregelung ausläuft. Dies sagte Oberösterreichs Landesrat Josef Ackerl (SPÖ), der in einer Presseaussendung vom 12.4.07 auch keine Zweifel lässt: „Jenen, die tatsächlich einer Rund-um-die-Uhr-Pflege bedürfen, kann als einzig sozial gerechte, für alle leistbare legale Alternative nur ein Platz im Alten- und Pflegeheim angeboten werden.“ Weht so der Wind?

Seit dem Frühjahr 2006 läuft ein Modellprojekt – Wiener Assistenzmodell: Die Stadt Wien will mit etwa 20 behinderten Menschen mit hohem Assistenzbedarf Erfahrungen sammeln. Diese erhalten vom Fonds Soziales Wien Geldleistungen für bedarfsgerechte Persönliche Assistenz. Der Versuch ist mit 31. März 2008 befristet. Die Fortführung ist völlig ungewiss. Wird die Wiener SPÖ behinderte Menschen im Stich lassen?

Drei Jahre FSW

Die Stadt Wien hat vor drei Jahren den Fonds Soziales Wien (FSW) gegründet – die MA 12 wurde aufgelöst. Der FSW ist nun stattdessen der private Sozialträger der Stadt Wien. Untergeordnet der MA 15, zuständig für Gesundheit und Soziales. Sozial- und Gesundheitsstadträtin Mag. Sonja Wehsely (SPÖ) hat das größte Budget aller Stadträte in Wien zu verwalten.

Das Sozialhilfebudget

Das Sozialhilfebudget der Stadt Wien wurde 2007 um eine Million Euro (um nicht einmal 0,4 %) auf 253,6 Millionen Euro erhöht, gleichzeitig wurde im Wiener Landtag der Mietenselbstbehalt um 25 Euro, von 68 auf 93 Euro pro Monat erhöht, obwohl dies eine äußerst widersprüchliche Sozialpolitik darstellt. Dies bedeutet vor allem für die rund 8.000 Wiener MindestpensionistInnen und AusgleichszulagenbezieherInnen, darunter auch viele behinderte Menschen, einen Realeinkommensverlust von 300 Euro im Jahr.

Das Land Wien spart dadurch mehr als zwei Millionen Euro im Jahr an sozialen Geldleistungen auf Kosten dieser Bevölkerungsgruppe.

Das Budget des FSW unter Führung von Peter Hacker, ehemaliger Drogenkoordinator der Stadt Wien, beträgt für 2007 inzwischen mehr als 770 Millionen Euro. Dies ist die Privatisierung im Wiener Sozialbereich, wobei dies zwar juristisch Ausgliederung genannt wird, da ja auch vorher private Vereine für die Stadt Wien Leistungen erbracht haben, jedoch kommt es bei diesem Ausmaß einer Privatisierung gleich. Anzumerken ist noch, dass die SPÖ in Wien die absolute Mehrheit hat, im Allgemeinen die SPÖ gegen Privatisierungen eintritt und eingetreten ist.

Ein Fonds, wie der Name schon sagt, kann von verschiedenen Geldquellen „gespeist“ werden, ist begrenzt und kann theoretisch auch in Konkurs gehen.

Warum hat die Stadt Wien diesen Sozial-Fonds gegründet?

Folgende Gründe könnten eine Rolle gespielt haben:

1. „Freiwillige Leistungen“ (Kann-Bestimmungen) werden vom FSW ohne Angabe von Gründen abgelehnt, ohne Information, dass sehr wohl ein Einspruchsrecht besteht. Man muss sich an die MA 15 wenden, um einen Bescheid zu erhalten.

Es kommt auch vor, dass Leistungen abgelehnt werden, obwohl ein Rechtsanspruch im Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG) und Wiener Behindertenhilfegesetz WBHG – seit 1966(!) – besteht. Betroffene Menschen müssen den „Ansprechpartner“ wechseln (MA statt FSW), um einen (begründeten) Bescheid zu erhalten. Vernebelung, Verwirrung stiften und Abschreckung sind Variabeln, die bei einem Antrag auf Bescheid durch die derzeitige Regelung vermehrt bei der Entscheidung ins Gewicht fallen. Denn gerade von dieser Bevölkerungsgruppe wird am wenigsten Widerstand erwartet.

2. KEINE Kontrollmöglichkeit für den Wiener Gemeinde- und Landtag (vor allem der Opposition). Geldflüsse sind noch schwerer, wenn überhaupt, zu kontrollieren.

3. Risikominimierung im Falle von Haftungsansprüchen im juristischen Sinne, z. B. Personenschäden in einer FSW-Einrichtung, verursacht durch vom Träger zu verantwortende Strukturmängel.

4. Risikominimierung der politischen Verantwortlichkeit, z. B. wenn ein unsozialer Sparkurs durchgezogen wird.

5. Aufbau einer effizienten Verwaltung auf privatdienstrechtlicher Basis im Sozialbereich. Jedoch ist dies fraglich, wenn die internen Rahmenbedingungen zu einer hohen Fluktuation führen und so die Wartezeiten, trotz mehr Personals, für die Betroffenen immer größer werden.

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