Folge 8: „SCHÖNE NEUE WELT: Der Mensch 2.0“

Rollend, rasant und rabiat durch Wien und den Rest der Welt

Symbolbild: Ronja Rollerbraut

Wie uns die digitale Welt schon jetzt prägt und auch in Zukunft grundlegend verändern wird. „Ich habe nichts zu verbergen. Ich kann alles erklären.“

Das ist der Standardsatz von Frau und Herrn Österreicher mit oder ohne Behinderung, wenn es um Datenschutz-Themen geht. Und hat man sie/ihn dann mit sachlichen Argumenten von der Brisanz dieser Probleme überzeugt, reagieren die meisten mit einem Achselzucken: „Na, ich kann daran eh nichts ändern.“ und „So schlimm wird es schon nicht werden.“ Also weiterhin den Kopf in den Sand stecken. Fatalistisch sein. Weiter als kleines Rädchen im Getriebe funktionieren.

Was heißt digitale Überwachung?

Sie beginnt in unserer Wohnung, in unserer scheinbar geschützten Privatsphäre.

Computer, Handy & Internet sind ein wahrer Segen. Sie erleichtern und bereichern unser Leben auf vielfältige Weise, gerade auch für Menschen mit Behinderung.

Computer, Handy & Internet sind gleichzeitig auch ein wahrer Fluch. Die wenigsten User und Userinnen kümmern sich um den Schutz ihrer Privatsphäre im Internet bzw. wissen Bescheid über Sicherheitseinstellungen. Facebook, Google & Co speichern fleißig unsere Internetaktivitäten und Suchabfragen, legen Profile von uns an und berieseln uns dank Cookies mit maßgeschneiderter Werbung.

Wir kaufen alles Mögliche übers Internet, buchen unseren nächsten Urlaub, per Mausklick geht das ganz schnell und scheinbar unkompliziert. Viele von uns geben nicht nur auf Facebook und auf anderen Socialmedia-Plattformen ihre wahre Identität preis, sondern sind auch in diversen Foren aktiv, outen sich mit diversen Meinungsäußerungen und geben allzu leichtfertig und unüberlegt, persönliche, mitunter auch gesundheitsrelevante Daten, weiter.

Unseren Gedanken geben wir in Mails einfach freien Lauf, und schieben die Tatsache bei Seite, dass ein Email mit einer herkömmlichen Postkarte vergleichbar ist, so kann z.B. der „Briefträger“ mitlesen. Online-Banking ist allzu verlockend und bequem – wer denkt dann schon an mögliche Gefahren? Von der sog. Vorratsdatenspeicherung haben wir zwar schon einmal gehört, aber so richtig verstanden haben wir es ohnehin nicht und außerdem nützt es ohnehin nichts, sich überall Sorgen zu machen.

Smartphones sind unsere alltäglichen Begleiter. Sie wissen immer, wo wir uns gerade befinden. Sie erinnern uns an unsere Termine. Sie haben Telefonnummern, Adressen und Mails von unserer Familie, Freunden und Kollegen gespeichert.

Scheinbar praktische kleine Programme (Apps) erleichtern uns den Alltag – und senden dabei, ohne dass es uns bewusst ist, Daten von unserem Smartphone an die Firma / Organisation, die die Apps kostenlos oder preisgünstig zur Verfügung stellt. Unsere Word-Dokumente und Fotos können wir weiter auf der sog. Cloud (Wolke) speichern und von überall mit PC oder Smartphone darauf zugreifen. In Zukunft sollen Smartphone und Facebook noch enger zusammenrücken, alles wird untereinander ausgetauscht, das meiste geschieht automatisch, wozu Gedanken machen, es verwenden doch alle und sind scheinbar zufrieden.

Vor der Haustüre geht die Überwachung erst recht los:

Eine Flut von privaten und öffentlichen Überwachungskameras zeichnet unsere Bewegungen und unser Verhalten im öffentlichen Bereich auf. Dass kriminelle und gewalttätige Übergriffe dadurch präventiv verhindert werden, hat sich übrigens nicht bewahrheitet.

Durch das Verwenden von Bankomatkarten und diversen Kundenkarten hinterlassen wir eine breite Datenspur. Dabei lassen sich allzu leicht Rückschlüsse auf Kauf- und Freizeitverhalten, Familienstand und finanzielle Situation ziehen. Daten, nach denen die Wirtschaft lechzt. Neue Entwicklungen wie zum Beispiel das kontaktlose Bezahlen mit NFC wird in Österreich seit kurzem angewandt. Das Schlange stehen bei der Supermarktkasse wird es vielleicht bald nicht mehr geben. Kontaktloses Bezahlen mit dem Handy einfach im Vorbeigehen, so lautet die neue Methode.

Auch alle GPS-basierten Geräte (z.B. Digitalkamera) gaukeln uns die Vorteile ihrer Anwendung vor. Ein gerade eben gemachtes Foto z.B. von einem mir fremden Gebäude kann dann von einem Google-Dienst in Sekundenschnelle geortet und identifiziert werden. Nähere Informationen können gleich nachgelesen werden. Weiters ist es möglich, ein oder mehrere Schnappschussfotos von der Kamera direkt auf seinen Facebook-Account zu laden. Unsere Freunde sollen ja live an unserem Leben teilhaben. Und im Hintergrund wird von allen fleißig gespeichert: von der Herstellerfirma der Kamera, der Handyfirma, dem Mobilfunkbetreiber bis hin Google, Facebook & Co.

Ja beinahe schon inflationär wird der sogenannte QR-Code angeboten. Er wird mit dem Handy eingescannt und in wenigen Augenblicken bekommt der User oder Userin mehr Informationen zu einem öffentlichen Gebäude, Produkt, … bekommen. QR-Codes findet man praktisch überall: auf Plakaten, in Zeitschriften, auf Sehenswürdigkeiten, ja bis hin zu Grabsteinen, die Informationen über den dort Verstorbenen preisgeben oder vielleicht einen Link zu einer Internetseite oder einem Facebookaccount enthalten. Neben dem Datenfluss sind QR-Codes auch sicherheitstechnisch ein Problem.

Die nächsten „Errungenschaften“ wie das österreichische ELGA (die elektronische Gesundheitsakte) und die sogenannte Google Glass stehen schon in den Startlöchern. Die Warnungen vieler Datenschützer gehen leider in der Datenflut der Medien unter und werden vom Großteil der Bevölkerung nicht wahrgenommen.

Und warum ist es so schlimm, persönliche Daten preiszugeben?

Beim reinen Daten-Sammeln bleibt es leider nicht. Daten werden miteinander verknüpft, ausgetauscht und ausgewertet. Und das kann für unser Leben tiefgreifende Einschnitte bedeuten. Mit Daten wird schon jetzt gehandelt. An persönlichen Daten sind grundsätzlich viele interessiert: die Wirtschaft, Versicherungsgesellschaften, derzeitige und zukünftige Arbeitgeber, Krankenkassen, ja mitunter auch staatliche Stellen und Behörden.

Und was machen all diese Informationen hier auf der Homepage der BIZEPS-Nachrichten?

Sie sollen eben informieren und aufrütteln. Ein Mensch mit oder ohne Behinderung, der selbstbestimmt lebt bzw. leben möchte, muss sich auch mit diesen Themen auseinandersetzen. Es ist heute wichtiger denn je, seine persönlichen Daten weitest möglich zu schützen (als Konsument, als Arbeitnehmer, als Patient, als Bürger und Bürgerin) und nur dort weiterzugeben, wo man es wirklich möchte oder wo es sich absolut nicht vermeiden lässt.

Besonders im Gesundheitsbereich sind wir aufgefordert, uns zu entscheiden: Wollen wir als mündige Patienten und Patientinnen auftreten und Herr/Frau unserer Gesundheit bleiben?

Die richtigen Antworten zu den falschen Aussagen:

FALSCH: Ich habe nichts zu verbergen.

RICHTIG: Jeder Mensch hat persönliche Angelegenheiten, die er/sie nicht öffentlich machen möchte. Zum Beispiel Vorlieben, Schwächen, mit Scham besetzte Themen etc., die lieber nicht dem Arbeitgeber oder einer Behörde mitgeteilt werden möchten.

FALSCH : Ich kann im Notfall alles erklären.

RICHTIG: Wer sagt, dass man immer die Möglichkeit bekommt, eine Angelegenheit zu erklären/zu rechtfertigen? Daten werden in den meisten Fällen von Software/Programmen automatisch ausgewertet, eingeordnet, kategorisiert. Mit Auswirkungen, die wir dann nicht mehr beeinflussen können.

FALSCH: So schlimm wird es schon nicht werden.

RICHTIG: Wie sich mittel- und langfristig die gesellschaftlichen, wirtschaflichen und/oder die politischen Verhältnisse national wie international entwickeln werden, lässt sich nicht vorhersagen. Richtig ist aber: Das Internet vergisst nicht! Die Kapazität, auch sehr große Datenmengen zu speichern, wächst aufgrund der stetigen technischen Weiterentwicklung von Jahr zu Jahr. Was technisch möglich ist, das wird auch angewendet. Und der Fortschritt wird auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weitergehen. Es wird technische Neuerungen geben, von denen wir jetzt noch gar keine Ahnung haben.

Konkrete Verhaltensregeln für den Alltag.

Diese möchte ich unter das Motto stellen: Privacy is not a crime!

Ein/e selbstbestimmte/r und kritische/r Bürger bzw. Bürgerin sollte z.B. sich regelmäßig über solche Themen informieren (z.B. Vorratsdatenspeicherung). Nicht nur beim Anbieter selbst nachfragen (und sich auch eventuell gegen eine Dienstleistung entscheiden), sondern auch Meinungen von Verbraucherschutzorganisationen und anderen Personen einholen. Wir haben Rechte und über diese sollten wir auch Bescheid wissen. Und: Gemeinsam sind wir stärker! Ein Beispiel: www.argedaten.at und www.akvorrat.at

Auch die Verschlüsselung unseres Emailverkehrs (bzw. eines Teiles) wäre eine Möglichkeit, sich besser zu schützen. Die Installation so einer Software ist durchaus auch durch Ottonormalverbraucher möglich. Das Programm kann kostenlos vom Internet downgeloadet werden. Open-Source-Software ist grundsätzlich einem kommerziellen Programm vorzuziehen. Zum Beispiel: www.gpg4win.de

Bezüglich Datenweitergabe (z.B. bei Kundenkarten, beim Ausfüllen von grundsätzlich allen Formularen sei es auf dem Papier oder digital) lautet das Motto: So wenig wie möglich und nur so viel wie nötig.

Besonders bei allen kostenlosen Angeboten sollten wir mit der Weitergabe von Daten vorsichtig sein. Das Angebot mag zwar gratis sein, bezahlt wird aber trotzdem, eben mit den Daten.

Auch mit den Sicherheitseinstellungen am PC und Smartphone sollten wir uns vertraut machen. Möchte ich wirklich eine ständige, automatische Standortbestimmung meines Smartphones, also von meiner Person, preisgeben? Muss ich wirklich jedes neue App ausprobieren? Ist es nicht besser, auf manches zu verzichten, das man ohnehin nicht wirklich braucht … und noch viel mehr aus der schönen, neuen Welt im kommenden Kommentar?

Bis bald, Eure Ronja.

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