Eltern brauchen Unterstützung – aber nicht über Schadenersatzklagen

Einige Diskutant/innen der laufenden Debatte um die geplante Schadenersatzrechts-Novelle behaupten fälschlicherweise, sich für das Wohl der Eltern einzusetzen. Ein Kommentar eines betroffenen Vaters.

Bernhard Schmid
Lebenshilfe Wien

Sie behaupten, dass die bestehende Schadenersatz-Regelung unbedingt erhalten bleiben müsse, weil die „Eltern sonst im Regen stehen gelassen werden“.

Welch eklatante Verkennung der aktuellen Situation betroffener Eltern während der Schwangerschaft bzw. nach der Geburt eines Kindes mit Behinderung!

Wer sich nur ein bisschen umhört, wird zahllose leidvolle Erfahrungen von werdenden Müttern geschildert bekommen, die beim kleinsten Anlass als „Risiko-Patientin“ in die „Maschinerie“ der Pränatal-Diagnostik (PND) gerieten.

Im Regelfall mündeten die Bemühungen nach Monaten quälender Sorgen und Ängste der Mütter und auch realen Untersuchungsrisiken für den Fötus in der Geburt eines ohnehin gesunden Kindes (in rund 97% aller Fälle!), wenn auch die Frau manchmal nervlich am Ende war.

Im schlechtesten Fall wurde der Mutter aufgrund der „ernsten Gefahr einer körperlichen oder geistigen schweren Schädigung“ ihres Kindes unter hohem Zeit- und sonstigem Druck eine Abtreibung „empfohlen“. Frei nach dem Motto: Jetzt haben wir alles für dich getan, jetzt musst du dich aber selbst „frei“ entscheiden!

OGH-Entscheide

Hier haben die OGH-Entscheide aus den Jahren 2006 und 2007 zu einer wesentlichen Verschärfung der Belastung der Mütter geführt, weil die behandelnden Ärzte aus Angst vor hohen Haftungsklagen ihr Risiko voll und ganz auf die Mütter überwälzen.

Und wenn dann doch ein Kind mit Behinderung auf die Welt kommt, dann fangen neue Probleme an: Eltern leiden unter der mangelnden Akzeptanz und Solidarität der unmittelbaren Umgebung sowie den ungenügenden finanziellen und sachlichen Unterstützungsleistungen.

Rätselhaft

Worin die große Unterstützungsleistung für Mütter mit behinderten Kindern bei einem Recht auf Schadenersatzklage bestehen soll, bleibt rätselhaft:

Erhöht eine Klage die Akzeptanz und Solidarität der Mitmenschen zum behinderten Kind und deren Mutter?

Hilft die ungewisse Zuerkennung eines „Schadenersatzes“ nach jahrelangem Prozess über die schweren Anfangsjahre der betroffenen Familie hinweg, in der teure Fachärzte, Therapien und Hilfsmittel finanziert werden müssen, oftmals verschärft durch den Einkommensverlust, weil die Frau ihre berufliche Karriere beenden muss?

Und was machen Eltern, die gar nicht erst einen Arzt für einen Fehler haftbar machen können, weil sie sich z.B. bewusst für ein Kind mit Behinderung entschieden haben, oder weil die Behinderung erst nach der Geburt ohne ärztliches Verschulden eingetreten ist?

Allerschlechteste Alternative für die betroffenen Eltern

Aus all diesen angeführten Gründen ist die Beibehaltung der jetzigen Schadenersatz-Regelung wohl die allerschlechteste Alternative für die betroffenen Eltern …

Vielmehr ist es für alle Familien, die bereits ein Kind mit Behinderung haben, überaus erfreulich, dass der unerträgliche Zustand endlich ein Ende findet, dass der Aufwand für ein Kind und damit de facto auch das Kind selbst wegen seiner Behinderung als „Schaden“ angesehen wird.

Als selbstbetroffener Vater eines 18-Jährigen mit Down-Syndrom und als Vertreter einer erfahrenen Eltern-Organisation würde ich mir daher – knapp vor Weihnachten – sehr wünschen, wenn sich manche Juristen und Politiker/innen nicht zu selbsternannten Fürsprecher/innen der Eltern aufschwingen würden.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich