Deutschland: Urteil „Böse Nachbarn“

Das Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes scherte die OLG-Richter bei ihrer Urteilsfindung wenig

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Am 8. Jänner 1998 entschied der 7. Senat des Kölner Oberlandesgerichtes (OLG), daß eine Gruppe geistig behinderter Männer aus dem Kreis Düren/Deutschland sich nicht mehr jederzeit in ihrem Garten aufhalten darf, weil es dem Nachbarn nicht gefällt.

Dieser fühlte sich durch die „Schreie“, das „Gebrüll“ und die „unartikulierten Laute“ seiner behinderten Nachbarn gestört.

Deshalb wurde der Träger der Wohngruppe, der Landschaftsverband Rheinland, dazu verurteilt, zu bestimmten Zeiten für Ruhe zu sorgen, was de facto ein Gartenverbot für die sieben geistig behinderten Männer bedeutet. Dieses gilt zwischen dem 1. April und dem 31. Oktober an Sonn- und Feiertagen ab 12.30 Uhr, mittwochs und samstags ab 15.30 Uhr und an den übrigen Werktagen ab 18.30 Uhr.

Eine normale Gartennutzung ist damit nicht mehr möglich; – weil es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.

Das Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes scherte die OLG-Richter bei ihrer Urteilsfindung wenig: Es verbiete zwar die Diskriminierung von Behinderten, daraus ließen sich jedoch keine Sonderrechte für Wohngruppen ableiten.

Dieses Urteil löste in den folgenden Tagen eine Welle der Empörung aus. In diesem Sinne äußerte sich auch der rechtspolitische Sprecher der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben Deutschland e.V. (ISL), Dr. Andreas Jürgens: „Es ist für uns völlig unakzeptabel, daß behinderte Menschen durch solch ein Urteil auf eine Stufe mit quakenden Fröschen und bellenden Hunden gestellt werden“.

Selbst der Bundesbeauftragte für die Belange der Behinderten, Otto Regenspurger, der generell durch Unauffälligkeit glänzt, empfahl dem unterlegenen Landschaftverband den Gang zum Bundesverfassungsgericht. „Menschen wie Du und ich, ein bißchen anders, werden da mit Rasenmähern gleichgesetzt, die Lärm machen,“ sagte er kürzlich im Saarländischen Rundfunk.

Ähnlich äußerte sich der betroffene Landschaftsverband: „Wenn ein solches Urteil Allgemeinverbindlichkeit hätte, müßten in Deutschland Tausende Behinderte nun wieder ruhiggestellt oder sogar weggesperrt werden“, kritisierte der Direktor des Landschaftsverbandes, Ferdinand Esser. Man prüfe nun eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

VertreterInnen von People First Deutschland, wo Behinderte aus Werkstätten und Wohnheimen für sich selbst sprechen, sind entsetzt. „Dies bedeutet nichts anderes, als daß uns dadurch ein Maulkorb aufgesetzt wird“, erklärte Arndt Kunau von People First.

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