Der Papst könnte einiges bewegen

Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul

Im Hinblick auf das Wirken der katholischen Kirche und des Papstes streiten sich die Geister in vielfacher Hinsicht kräftig. Die zum Teil mittelalterlichen Positionen der Oberhäupter der katholischen Kirche zur Homosexualität oder zum Feminismus sorgten in letzter Zeit zum Beispiel für heftige Kontroversen.

In Sachen Behindertenpolitik ist es in der katholischen Kirche eher ruhig. Die meisten beschäftigt zurzeit wohl am ehesten noch die Frage, ob der Papst trotz seiner fortschreitenden Behinderung weitermachen soll. Die zum Teil mittelalterliche Behindertenpolitik, die die katholische Kirche und die Caritas mit ihren vielen Sondereinrichtungen betreiben, wird jedoch kaum kritisiert.

Der Besuch des Papstes in Lourdes und seine demonstrative Übernachtung in einem Pflegheim für Behinderte bieten jedoch einen guten Anlass die Behindertenpolitik der katholischen Kirche und das Wirken des Papstes genauer unter die Lupe zu nehmen.

Während Anfang Juli die Nachricht, dass das Urlaubsdomizil des Papstes für zehn Millionen Euro behindertengerecht umgerüstet wurde, die Runde machte, wartet der Papst nun mit einer „demonstrativen“ Übernachtung in einem Pflegeheim für Behinderte auf. Was der Papst damit genau demonstrieren wollte, konnte sich mir nicht ganz erschließen. Was der Papst aber im Hinblick auf die Behindertenpolitik der katholischen Kirche und der Caritas demonstrieren müsste, dazu fällt mir einiges ein:

Wollte der Papst sich wirklich mit den kranken und behinderten Menschen solidarisieren, wäre eine erste Wohltat, dass er dafür sorgt, dass die Großeinrichtungen für behinderte Menschen unter kirchlicher Trägerschaft schnellst möglich reformiert und zugunsten ambulanter und kleinerer Einrichtungen reformiert werden. Er selbst müsste aus eigener Erfahrung wissen, wie individuell die Hilfen sind, die ein behinderter Mensch braucht, um möglichst gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.

Großeinrichtungen mit ihren vielfältigen Einschränkungen der Individualität, der Bewegungsfreiheit und der Intimsphäre sind hierfür bestimmt nicht geeignet. Statt lediglich in einem Pflegeheim zu übernachten, sollte der Papst dafür sorgen, dass solche Einrichtungen, sofern sie überhaupt nötig sind, die Größe einer durchschnittlichen Familie nicht überschreiten.

Der Papst könnte mit seiner eigenen behinderungsbedingten Erfahrung ein Vorreiter für eine Reform der kirchlichen Behinderteneinrichtungen sein, wie diese bereits in anderen Ländern wie in Schweden erfolgreich vollzogen wurde.

Mit der konsequenten Reform der kirchlichen Behindertenarbeit könnte der Papst auch gleich für mehr Mitbestimmung und Beteiligung der Betroffenen sorgen. Denn behinderte Menschen selbst nehmen in der großen Maschinerie der kirchlichen Behindertenarbeit meist nur eine Randposition ein, müssen zum Teil sogar hart dafür kämpfen, überhaupt erst zum Priesteramt oder anderen Funktionen zugelassen zu werden.

Es gäbe also viel, was der Papst „demonstrativ“ und ganz konkret in der Kirche und der kirchlichen Behindertenpolitik bewegen könnte, von einer bloßen Übernachtung in einem Pflegeheim und einer Pilgerreise nach Lourdes wird sich nicht viel ändern.

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