Bauordnungsnovelle: Sieg mit Wermutstropfen

Dass mit der Novellierung der Wiener Bauordnung nun doch eine Reihe von behindertendiskriminierenden Bestimmungen geändert oder entfernt worden sind, damit haben die Pessimisten in unseren Reihen gar nicht mehr gerechnet.

Wiener Gemeinderat und Landtag - Sitzungssaal
PID / Markus Wache

Denn beinahe vier (!) Jahre lang lag eine beschlussreife Novelle zur Bauordnung auf den Tischen der politisch Verantwortlichen in Wien.

Zur Erinnerung: Diese Novelle war von behinderten und anderen Experten im Rahmen des Auftrages einer Arbeitsgruppe geschrieben worden, die ihren Sitz im Wiener Rathaus und das Ziel hatte, „behindertendiskriminierende Bestimmungen“ in den verschiedensten Wiener Gesetzen aufzuspüren. Diese Bestimmungen sollten dann – jedenfalls war dies der Wunsch der Betroffenen – von den Abgeordneten aufgehoben werden.

Weit mehr als einhundert solcher Bestimmungen wurden damals im Rahmen dieser Arbeitsgruppe ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt und eine Reihe davon in der Folge auch aufgehoben. Eine große Anzahl aber wurde bis zum heutigen Tag noch nimmer nicht aus der Welt geschaffen – dazu gehörten bis vor kurzem auch die Bestimmungen in der Bau- und der Garagenordnung.

Grund dafür war das Desinteresse des Bürgermeisters sowie des zuständigen Wohnbaustadtrates Werner Faymann. Das Ergebnis war ein zähes und mühevolles Ringen mit der Beamtenschaft, den diversen Gremien und den zuständigen Politikern.

Punkt für Punkt und Zeile für Zeile mussten wir argumentieren und bei der Gegenseite Überzeugungsarbeit und die Zustimmung zur Änderung erkämpfen – was uns leider in einigen Bereichen nicht gelungen ist.

So gibt es nach wie vor eine Reihe von ungelösten Punkten:

  • Bei den Behindertentoiletten fehlt ein Verweis auf die Bestimmungen der ÖNORMEN und damit der eindeutige Auftrag, wie sie ausgestaltet werden müssen.
  • Abgelehnt wurde die Hineinnahme von Bestimmungen über Gegensprechanlagen, Parkscheinauto­maten und Öffnungshilfen für Tore und Schranken, akustische Warnanlagen sowie Höranlagen.
  • Der Begriff „barrierefrei“ wird nirgends ausreichend definiert.
  • Es fehlen Bestimmungen für die Kennzeichnung von großen Glasflächen bzw. für den Schutz von ausragenden Gegenständen (wie z.B. Postkästen).
  • Nicht aufgenommen wurden Bestimmungen betreffend die Sprachausgabe, eine tastbare Beschriftung in Aufzügen sowie tastbare bzw. deutlich lesbare Beschriftungen im öffentlichen Bereich für sehbehinderte Personen und die Anbringung von tastbaren Bodenleitsystemen.
  • In barrierefreien Einkaufszentren dürfen einzelne Geschäfte nach wie vor ihr Geschäftslokal so einrichten lassen, dass es erst wieder nur über Stufen erreicht werden kann.
  • Bei Umbauten von Geschäftslokalen, die vorher barrierefrei erreichbar waren, dürfen auch in Hinkunft danach Barrieren errichtet werden.

Am wenigsten eingegangen wurde mit der neuen Bauordnungsnovelle auf die Rechte der sinnesbehinderten Menschen und daher ist ihr Zorn und ihre Empörung auch sehr gut nachzuvollziehen. Ihnen werden offensichtlich am ehesten Diskriminierungen zugemutet.

Zweifellos hat die Behindertenbewegung mit diesen neuen Bestimmungen den Abbau einer beträchtlichen Anzahl von Bestimmungen, die sie diskriminiert haben, erreichen können. Das ist eindeutig als Sieg zu werten und darauf kann sie stolz sein.

Doch allein die Aufstellung oben zeigt, dass noch eine Menge Arbeit vor uns liegt.

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