Barrierefreiheit nützt allen – nichts spricht dagegen!

Teil 5 - Die UN-Staatenprüfung: Wie setzt Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention um?

Staatenprüfung : Österreich
BIZEPS

Barrierefreiheit auf allen Ebenen ist für Menschen mit Behinderungen der Türöffner zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Bei der Staatenprüfung Österreichs über der Einhaltung der UN-Behindertenrechts-Konvention Anfang September in Genf werden nicht nur die langen Übergangsfristen in den Etappenplänen für die Umsetzung der Barrierefreiheit für Bundesgebäude und für den öffentlichen Verkehr kritisiert. Hinterfragt wird auch, wie es mit der barrierefreien Gestaltung von Arbeitsplätzen aussieht und ob Radio und Fernsehen barrierefrei angeboten werden.

Wie wird festgestellt, welche Barrieren behindern?

Aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 Abs. 1 der Österreichischen Bundesverfassung ergibt sich das generelle Gebot, auf allen Ebenen der Gebietskörperschaften benachteiligende Umstände zu beseitigen und Rahmenbedingungen für umfassende Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) ist die gesetzliche Grundlage dafür.

Wenn aufgrund von baulichen, kommunikationstechnischen oder sonstigen Barrieren Verbrauchergeschäfte nicht eingegangen werden können oder Menschen der Zugang zu Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen nicht offen steht, liegt eine mittelbare Diskriminierung vor. Als Rechtsfolgen sieht das BGStG einen Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens vor. Der Schadenersatz ist im Gerichtsweg durchzusetzen; davor ist zwingend ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. In der ersten Evaluierung des BGStG (2010-2012) wurde festgestellt, dass der fehlende Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung von Barrieren Gegenstand massiver Kritik ist. Die meist geringe Schadenersatzhöhe (§ 9 BGStG sieht einen Mindestschadenersatz von 1000,- € vor) stellt in der Praxis kaum einen Anreiz für Unternehmen dar, Barrieren zu beseitigen.

Der bauliche Sektor

Nach wie vor sind viele Bundesgebäude nicht barrierefrei zugänglich. Etappenpläne, die Gebäude der Landesregierungen betreffen, wurden bisher nur in Wien und Tirol beschlossen.

Dieselbe Situation zeigt sich auch beim Zugang zu Wohnhäusern, medizinischen Einrichtungen und zu Arbeitsstätten. Eine Sicherstellung, dass alle Aspekte des barrierefreien Zugangs von privaten Rechtsträgern berücksichtigt werden, ist nicht gegeben.

Das geringe Angebot an barrierefreien Praxen führt dazu, dass Menschen mit Behinderungen nur selten den Arzt oder die Ärztin der eigenen Wahl konsultieren können.

Infrastruktur und Verkehr

Im Straßenverkehr fehlen die Niveauangleichung von Gehsteigen bei Kreuzungen und Übergängen noch vielerorts. Gehsteigabsenkungen, akustische Ampelanlagen und taktile Leitlinien kommen, wenn, dann nur im urbanen Raum vor.

Kommunikation und Barrieren

Die Barrieren zu Informations- und Kommunikationsdiensten sind äußerst vielfältig. Problematisch ist das Fehlen von barrierefreien Regelungen für gehörlose, hörbehinderte und sprechbehinderte Menschen hinsichtlich Notrufsysteme, wie auch der Europäischen Notrufnummer 112. Im Telekommunikationsgesetz wird nur allgemein und unbestimmt geregelt, dass den Interessen behinderter NutzerInnen Rechnung zu tragen ist. Hier besteht ein Konkretisierungsbedarf.

Der Zugang zum Internet wird teilweise durch das E-Governmentgesetz geregelt. Es verpflichtet Behörden, Internetauftritte gemäß den internationalen Standards für barrierefreie Websites zu gestalten.

Obwohl Bundesdienststellen und gesetzlich geregelte Dienstleister (z.B. AMS, Sozialversicherungsträger) verpflichtet sind, Gebärdensprachdolmetsch anzubieten, sieht die Praxis anders aus. Es besteht kein Rechtsanspruch zur Übernahme der Kosten für Gebärdensprachdolmetschung in den Ländern.

Menschen mit Lernschwierigkeiten kommunizieren anders: Für sie ist es notwendig, schriftliche Texte zu bebildern, kurze Sätze zu formulieren und Fremdwörter zu vermeiden oder zumindest zu erklären. Diese Forderung zieht sich durch alle Bereiche des Lebens. Die Forderung nach „Leicht lesen“ hat sich mittlerweile als Fachbegriff durchgesetzt und hilft überdies allen Menschen, die Schwierigkeiten haben, komplexe Texte zu verstehen.

Soziale Barrieren

Stereotypen und eingefahrene Bilder in unseren Köpfen verhindern die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Die oftmalige Ansicht, dass sie nur über ein bestimmtes Können verfügen, oft fragt man sie nicht um ihre Meinung, weil „sie es eh nicht verstehen“ – das alles verhindert vielfach, dass Menschen mit Behinderungen zu ihren Rechten kommen.

Barrierefreiheit in der Ausbildung

Das Thema „universelles Design“ ist nicht verpflichtend in den Lehrplänen von technischen Berufsausbildungen und Weiterbildungen verankert. Weder in der Grundausbildung noch in der Weiterbildung wie etwa für Verantwortliche des Bundes, der Länder und Gemeinden sind Schulungen zur Barrierefreiheit vorgesehen.

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