Arbeit und Beschäftigung

Teil 9 - Die UN-Staatenprüfung: Wie setzt Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention um?

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Menschen mit Behinderungen können und wollen arbeiten – aber die Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen in Österreich entsprechen derzeit nicht dem Standard des Art. 27 der UN-Behindertenrechts-Konvention (UN-BRK). Dieses Thema hat daher oberste Priorität bei der Staatenprüfung Österreichs zur UN-BRK am 2. und 3. September in Genf.

Benachteiligungen im Zugang zum Arbeitsmarkt

Trotz der gesetzlichen Verankerung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und der Ratifizierung der UN-BRK erfahren Menschen mit Behinderungen nach wie vor viele Benachteiligungen im Zugang zum Arbeitsmarkt. Es lassen sich aktuell keine empirisch gesicherten Aussagen treffen, inwiefern die derzeitigen Unterstützungssysteme beim Einstieg in den Arbeitsmarkt tatsächlich jenen Personen zugutekommen, die sie am dringendsten benötigen: Dies liegt unter anderem an der länderweise unterschiedlichen Datenerfassung, der wiederum eine unterschiedliche Definition von Behinderung zugrunde liegt.

Personen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen sind aufgrund eines niedrigen Bildungsniveaus und der geringen Beschäftigungschancen wesentlich länger arbeitslos. Menschen mit Behinderungen, die als nicht arbeitsfähig gelten und in segregierten Einrichtungen beschäftigt sind, sind von der Arbeitslosenstatistik nicht erfasst. Frauen mit Behinderungen sind primär in unterbezahlten, frauenspezifischen Berufsfeldern und in niedrigeren Hierarchieebenen tätig. Die Arbeitslosigkeit unter gehörlosen und hörbehinderten Menschen ist besonders hoch, da sie durch fehlenden bilingualen Unterricht sehr geringe Chancen am Arbeitsmarkt haben. Sie sind oft auf einfache, kommunikationsarme und durch Routine geprägte Arbeiten angewiesen und üben kaum Berufe aus, die ihren tatsächlichen Fähigkeiten und Talenten entsprechen.

In Österreich besteht durch das Behinderteneinstellungsgesetz die Verpflichtung, ab 25 DienstnehmerInnen mindestens eine/n „begünstigte/n Behinderte/n“ einzustellen. Andernfalls ist eine Ausgleichstaxe von mindestens monatlich 232,- € zu zahlen, die in den Ausgleichstaxenfonds fließt und für die Förderung von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt verwendet wird. Aufgrund der geringen Höhe dieser Ausgleichszahlung kommen viele Betriebe dieser Einstellungsverpflichtung nicht nach. Der in diesem Fall geltende besondere Kündigungsschutz wurde mit der Novelle zum Behinderteneinstellungsgesetz 2010 geändert und wird nun erst nach vier Jahren gewährt.

Für benachteiligte und behinderte Jugendliche gibt es in Österreich verschiedene Angebote beim Erwerb von Bildungsabschlüssen oder für den Eintritt in den Arbeitsmarkt. Die Anforderungen und Rahmenbedingungen in den einzelnen Beschäftigungsprogrammen und Erfolgsklauseln führen jedoch dazu, dass in den meisten Fällen nur jene Jugendlichen einbezogen werden, die besonders fit und tendenziell leicht vermittelbar sind. Menschen mit Vermittlungsproblemen und erhöhtem Unterstützungsbedarf finden hingegen kaum Zugang zu Maßnahmen der beruflichen Orientierung und Qualifizierung, sondern sind meist auf Formen der „Beschäftigungstherapie“ angewiesen.

Beschäftigungstherapie – auch das ist Arbeit!

Rund 20.000 Menschen mit Behinderungen sind derzeit in Tages- und Beschäftigungsstrukturen, insbesondere in der sogenannten „Beschäftigungstherapie“, geschützten Werkstätten oder „Fähigkeitsorientierter Aktivität“ tätig. Diese Tätigkeiten werden nicht als Erwerbsarbeit gewertet, obwohl diese Beschäftigten regelmäßig zur Arbeit gehen, an Geräten arbeiten und Produkte oder Dienstleistungen zum Teil auch in ausgelagerten Gruppen bei Firmen herstellen. Es handelt sich um Maßnahmen der Länder nach den jeweiligen Sozialhilfe- bzw. Behindertengesetzen, die unterschiedliche Regelungen enthalten. Personen in Tages- und Beschäftigungsstrukturen sind außer in der Unfallversicherung nicht versichert. Sie erhalten für ihre Arbeit kein kollektivvertragliches Entgelt, sondern nur ein geringes Taschengeld von teilweise unter 10,- € monatlich.

Die gesetzlichen Bestimmungen über ArbeitnehmerInnenschutz, Urlaub und Krankenstand, MitarbeiterInnenvorsorge sowie Arbeitsverfassung gelten nicht. Bei Krankheit gibt es unterschiedliche Regelungen in Bezug auf Weitergewährung von Taschengeld. Da die gesetzliche Sozialversicherung erwerbsabhängig ist, haben diese Personen auch keine eigenständige Kranken- und Pensionsversicherung und erwerben keine eigenen Pensionsansprüche. Im Bereich der Kranken- und Pensionsversicherung können immerhin mittelbare Versicherungsansprüche aufgrund der Angehörigeneigenschaft durch Mitversicherung und Waisenpension bestehen. Die Einbeziehung von Menschen in die gesetzliche Unfallversicherung, welche in Tagesstrukturen „beschäftigt“ werden, konnte bereits Anfang 2011 verwirklicht werden.

Die verschiedenen Beurteilungen der Arbeits-, Leistungs- und Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen stellen eine weitere Hürde dar: Ob und in welchem Ausmaß jemand in der Praxis arbeits- bzw. erwerbsfähig ist, hängt stark von der Unterstützung am Arbeitsplatz, der Anpassung des Aufgabenbereichs an die individuelle Teilleistungsfähigkeit und den Rahmenbedingungen ab, die für die berufliche Integration zur Verfügung stehen.

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