Abschied vom alten „Anstalts-Modell“

Am 30. April 2009 geht Dieter Gutschick, Geschäftsführer der Aktion Mensch in Ruhestand. Während seiner zwanzigjährigen Amtszeit wuchs die Aktion Mensch zur größten Soziallotterie in Deutschland. Der Erfolg beruht auch auf Veränderung der Aktion.

Dieter Gutschick
Aktion Mensch

Im Jahr 2008 konnte die Aktion mit 176 Mio. Euro verteilten Mitteln das höchste Fördervolumen erreichen. Er führte mit Jutta von Hofe ein Interview aus dem recht gut der Wandel und die Herausforderungen ablesbar sind.

Aktion Mensch: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten für die Zukunft der Aktion Mensch, was würden Sie sagen?

Dieter Gutschick: Ich wünsche mir, dass die Aktion Mensch weiterhin so breite gesellschaftspolitische Diskussionen anstößt, wie sie dies schon mit dem Gesellschafter-Projekt und der Frage „In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?“ tut.

Zweitens hoffe ich sehr, dass unsere Mitglieder, die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und das ZDF, diese Arbeit auch weiterhin unterstützen. Eine Herausforderung bleibt auch, diejenigen in der Behindertenbewegung, die nicht Teil der großen Verbände sind, in Zukunft mit einzubeziehen. Die Aktion Mensch hat von der Öffnung hin zur freien Szene der Selbsthilfeorganisationen sehr profitiert. Angesichts der zunehmenden sozialen Probleme müssen alle an einem Strang ziehen.

Und drittens wünsche ich der Aktion Mensch, dass sie auch weiterhin genug Mittel für eine sich stetig wandelnde und im Volumen wachsende Förderung erwirtschaften kann.

Aktion Mensch: Durch den neuen Lotteriestaatsvertrag werden die Werbemöglichkeiten für die Lotterien stark eingeschränkt. Sehen Sie die Arbeit der Aktion Mensch dadurch ernsthaft gefährdet?

Dieter Gutschick: Im vergangenen Jahr hatten wir sogar noch eine kleine Umsatzsteigerung. Aber er ist viel schwieriger geworden. Jedes Plakat, jeder TV-Spot, jedes Mailing wird streng kontrolliert und muss ausführlich begründet werden.

Die Werbung soll jede Emotion vermeiden – was ihr natürlich viel von ihrer Wirkung nimmt. Bisher haben wir diese Restriktionen durch kreative Lösungen ausgleichen können und ich hoffe, dass das auch in der Zukunft gelingt.

Aktion Mensch: Wie sehen Sie die Zukunft der Förderung?

Dieter Gutschick: Als ich vor zwanzig Jahren als Geschäftsführer der damaligen Aktion Sorgenkind begann, lag das Schwergewicht (zu über 80 %) auf der Investitionsförderung von Baumaßnahmen für Werkstätten und „Anstalten“.

Durch unsere Projektförderung z. B. auch für Kunst und Kultur sowie Sport haben sich die Schwerpunkte inzwischen verlagert. Zurzeit diskutieren wir über ein Auslaufen der Investitionsförderung zugunsten ambulanter Angebote. Es ist nach wie vor eine Herausforderung, Menschen mit Behinderungen stärker am ganz normalen Alltagsleben in unserer Gesellschaft teilhaben zu lassen. Wir müssen weg von den Sondereinrichtungen, zum Beispiel bei Kindergärten oder Schulen.

Bis die Vorgaben der neuen UN-Konvention zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland erfüllt sind, ist es noch ein weiter Weg. Hier wird oft mehr versprochen als eingehalten. Gerade angesichts von Krise und leeren öffentlichen Kassen, muss man besonders wachsam sein. Partizipation ist ein Menschenrecht.

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